Der Drachenbeinthron
werden. Die Götter haben uns den Rücken gekehrt.
Als sie hinter Eolair in das Licht des Tages hinaustrat, hob sie ihren Kopf wieder. Um sie herum war die Unordnung des Lagers, sorgsam bewachte Kinder, die auf der Lehmigen Erde spielten, Frauen des Hofes, viele in ihren besten, jetzt zerfetzten Kleidern, die kniend Eichhörnchen und Hasen für den Kochkessel zubereiteten und auf flachen Steinen Korn mahlten. Die Bäume auf dem felsigen Berghang umgaben sie dicht von allen Seiten und neigten sich unwillig im Wind.
Fast alle Männer waren fort. Wer nicht am Inniscrich sein Leben gelassen hatte oder im Wabengewirr der Höhlen seine Wunden versorgt bekam, befand sich auf der Jagd oder bewachte die unteren Hänge vor Angriffen von Skalis Truppen, deren Ziel es war, Hernystirs wankenden Widerstand endgültig zu zerschlagen.
Alles, was uns bleibt, sind Erinnerungen, dachte sie und betrachtete ihren schmutzigen und zerlumpten Rock, und unsere Verstecke im Grianspog. Man hat uns in die Enge getrieben wie Füchse. Wenn der Herr Elias kommt, um seinem Hund Skali die Beute aus dem Maul zu nehmen, sind wir erledigt.
»Was wollt Ihr von mir, Graf?«, fragte sie.
»Nicht ich bin es, der etwas will, Maegwin«, antwortete Eolair kopfschüttelnd, »es ist Skali. Ein paar von den Posten sind zurückgekommen und sagen, er stehe schon den ganzen Morgen unten am Moir Brach und schreie nach Eurem Vater.«
»Lasst doch das Schwein schreien«, entgegnete Maegwin mit finsterer Miene. »Warum jagt ihm nicht einer von den Männern einen Pfeil durch das schmutzige Fell?«
»Er ist außer Bogenschussweite, Prinzessin. Zudem hat er ein halbes Hundert Männer bei sich. Nein, ich meine, wir sollten nach unten gehen und ihn anhören – aus der Deckung natürlich, ohne dass er uns sieht.«
»Natürlich«, erwiderte sie verächtlich. »Und warum sollte uns kümmern, was Scharfnase schwatzt? Bestimmt verlangt er nur wieder, dass wir uns unterwerfen.«
»Möglich.« Graf Eolair senkte grübelnd den Blick, und Maegwin fühlte, wie eine Welle von Mitleid für ihn in ihr aufstieg, weil er ihre schlechte Laune ertragen musste. »Aber ich glaube, dass es mehr ist, Herrin. Er steht schon über eine Stunde dort, sagen die Männer.«
»Also gut.« Sie sehnte sich danach, von Lluths dunklem Bett fortzukommen, und hasste sich zugleich für diesen Wunsch. »Ich will nur meine Schuhe anziehen, dann begleite ich Euch.«
Sie brauchten fast eine Stunde, um durch den Bergwald nach unten zu steigen. Der Boden war feucht und die Luft kalt; Maegwins Atem kam in kleinen Wolken, als sie sich hinter Eolair ihren Weg durch die Klüfte suchte. Die graue Kälte hatte die Vögel aus dem Circoille vertrieben oder sie verstummen lassen. Kein Laut begleitete ihren Gang außer dem bebenden Murmeln windgepeitschter Äste.
Während sie den Grafen von Nad Mullach beobachtete, der mit schlankem Rücken und glänzendem Haarschweif behende wie ein Kind durch das Unterholz glitt, war Maegwin wieder einmal von dumpfer, hoffnungsloser Liebe zu ihm erfüllt. Es kam ihr so albern vor, dieses Gefühl – bei ihr, dem langen, tolpatschigen Kind eines sterbenden Mannes –, dass es in eine Art Zorn umschlug. Als Eolair sich umdrehte, um ihr über einen vorspringenden Stein zu helfen, blickte sie so finster, als hätte er ihr statt seiner Hand eine Beleidigung geboten.
Die im Gehölz oberhalb des langgestreckten Bergrückens, der Moir Brach hieß, zusammengekauerten Männer blickten erschreckt auf, als Eolair und Maegwin auf sie zukamen. Sie senkten jedoch sofort wieder die Bogen und winkten die beiden nach vorn. Maegwin spähte durch das Farnkraut den steinernen Finger hinunter, von dem der Kamm seinen Namen hatte, und sah unten eine wimmelnde Schar ameisengroßer Gestalten, etwa drei Achtelmeilen von ihnen entfernt.
»Er hat gerade aufgehört zu sprechen«, flüsterte einer der Posten – ein Knabe noch, die Augen groß vor Unruhe. »Ihr werdet sehen, Prinzessin, er fängt gleich wieder an.«
Wie abgesprochen, trat aus der Schar der Männer in Helmen und Umhängen, die einen Wagen mit Pferdegespann umringten, eineeinzelne Gestalt hervor. Sie hob die Hände zum Mund und sah auf eine Stelle, die etwas nördlich vom Versteck der Beobachter lag.
»Zum letzten Mal …«, klang die durch die Entfernung gedämpfte Stimme nach oben, »ich biete euch … Geiseln … Ausgleich für …«
Maegwin strengte sich an, die Worte zu verstehen. Auskünfte?
»… über den Zauberlehrling und …
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