Der Drachenbeinthron
Nacken. In der wimmelnden Menge und dem Lärm der Schlacht schien es, als sehe nur Deornoth die furchtbare Tat. Als die Klinge, purpurn befleckt, wieder herausgezogen wurde, krümmte sich Leobardis und griff sich mit bebenden, behandschuhten Händen an den Hals, den er einen Augenblick umklammerte, als wollte er in seinem alles überwältigenden Gram noch etwas sagen. Gleich darauf sackte der Herzog im Sattel vornüber und fiel auf den weißen Nacken seines Pferdes. Sein Blut schoss hervor und färbte die Mähne rot, bevor er vom Sattel schwer zu Boden stürzte.
Benigaris warf ihm einen kurzen Blick zu, als betrachte er einen aus dem Nest gefallenen Vogel, dann hob er das Horn zum Munde. Inmitten des brüllenden Chaos auf allen Seiten gewahrte er in Benigaris’ schwarzem Helmschlitz ein Blitzen der Augen, so als habe der Herzogssohn über die Köpfe der vielen kämpfenden Männer, die sie voneinander trennten, seinen Blick aufgefangen.
Lange und rauh ertönte das Horn, und viele wandten die Köpfe danach.
»Tambana Leobardis eis!« , brüllte Benigaris mit grausiger Stimme, heiser und voller Verzweiflung. »Der Herzog ist gefallen! Mein Vater erschlagen! Zieht euch zurück!«
Wieder stieß er ins Horn, und noch während Deornoth ihn in ungläubigem Entsetzen anstarrte, erklang vom Berghang über ihnen ein anderer Hornruf.
Eine Schar bewaffneter Reiter sprengte aus einem Versteck im Schatten einiger Bäume hervor.
»Lichter des Nordens!«, stöhnte Jarnauga und versetzte Strupp in erneute Zuckungen ohnmächtiger Wut.
»Sag es uns! Wie läuft die Schlacht?«
»Ich fürchte, sie ist verloren«, erwiderte der Rimmersmann mit hohler Stimme. »Jemand ist gefallen.«
»Nein!«, keuchte Vara mit Tränen in den Augen. »Josua! Es ist doch nicht Josua?«
»Ich kann es nicht sagen. Ich glaube eher, dass es Leobardis ist. Aber jetzt kommt vom Berg herunter ein neuer Trupp, unter den Bäumen hervor. Rotmäntel … auf dem Banner ist ein … Adler?«
»Fengbald«, ächzte Strupp, riss sich die Schellenkappe vom Kopf und knallte sie klirrend auf die Steine. »Mutter Gottes, es ist Graf Fengbald! Oh, Usires Ädon, rette unseren Prinzen! Diese Hurensöhne! Bastarde!«
»Sie gehen auf Josua nieder wie ein Hammer«, fuhr Jarnauga fort. »Und die Nabbanai scheinen verwirrt. Sie … sie …«
»Zieht euch zurück!«, schrie Benigaris, und Aspitis Preves neben ihm zog das Banner aus den kraftlosen Armen von Leobardis’ Knappen und ritt den jungen Mann nieder.
»Es sind zu viele!«, rief Aspitis. »Zieht euch zurück! Der Herzog ist tot!«
Deornoth riss sein Pferd herum und stürzte sich von neuem ins Gefecht, um sich zu Josua durchzuschlagen.
»Eine Falle!«, brüllte er. Fengbalds Ritter donnerten mit blinkenden Lanzen den Berg hinunter. »Josua! Es ist eine Falle!«
Er hackte sich einen Weg durch zwei von Guthwulfs Ebern, die sich ihm entgegenstellen wollten, musste einige harte Hiebe auf Schild und Helm einstecken, rannte dem zweiten Mann das Schwert mitten durch die Kehle und hätte es fast verloren, als es im Rückgrat stecken blieb. Er sah ein blutiges Rinnsal über sein Visier laufen und wusste nicht, ob es sein Blut oder das eines anderen war.
Der Prinz rief seine Ritter zurück. Durch Geschrei und Waffengeklirr gellte Isorns Horn.
»Benigaris hat den Herzog ermordet!«, schrie Deornoth. Josua sah erstaunt auf die blutbespritzte Gestalt, die da auf ihn zugaloppierte. »Benigaris hat ihn hinterrücks erstochen! Wir sitzen in der Falle.«
Einen kurzen Moment zögerte der Prinz und hob die Hand, als wolle er das Visier lüften und sich umsehen. Fengbald und seine Adler hatten die Flanke der Nabbanai angegriffen, um ihnen den Rückzug abzuschneiden.
Gleich darauf hob der Prinz den zügelumwickelten Schildarm. »Dein Horn, Isorn!«, rief er. »Wir müssen uns den Weg freikämpfen! Zurück! Zurück nach Naglimund! Wir sind verraten!«
Mit einem gellenden Hornstoß und einem gewaltigen Aufschrei der Wut drangen nun die Ritter des Prinzen auf Fengbalds weit auseinandergezogene, purpurrote Schlachtreihe ein. Deornoth spornte sein Pferd, um die vorderste Linie zu erreichen, und sah, wie Josuas wirbelnde Klinge die Abwehr des ersten Adlers durchbrach und gleich einer Schlange zustieß, tief unter den Arm des Mannes, hinein und hinaus. Gleich darauf sah sich Deornoth einer ganzen Heerschar von Rotmänteln gegenüber. Fluchend schwang er sein Schwert. Ohne dass er es wusste, waren seine Wangen unter dem Helm nass von
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