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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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erblickt hatte: so lang wie der Raum zwischen den ausgebreiteten Armen eines Mannes, von Fingerspitze zu Fingerspitze, und schwarz. Die Reinheit dieser Schwärze wurde von den Farben, die an seiner Schneide funkelten, nicht getrübt, so als sei diese Klinge so übernatürlich scharf, dass sie selbst das matte Licht in der Höhle in Regenbogen zerschnitt. Wäre die Silberschnur nicht gewesen, die sich als Halt für die Hand um den Griff schlang und das freiliegende Stichblatt und den Knauf so pechschwarz ließ wie den Rest der Klinge, hätte es den Anschein gehabt, als wäre das Schwert etwas ganz und gar Unmenschliches. Vielmehr hätte es trotz seiner Symmetrie wie etwas natürlich Gewachsenes gewirkt, die reine Essenz natürlicher Schwärze, die nur durch Zufall in die Gestalt eines wundervollen Schwertes gegossen worden war.
    »Dorn«, flüsterte Binabik, und seine Zufriedenheit hatte einen Unterton von Ehrfurcht.
    »Dorn«, wiederholte Jiriki, und Simon konnte sich seine Gedanken, als er das Schwert bei seinem Namen nannte, nicht einmal annähernd vorstellen.
    »Dann ist es das also wirklich?«, fragte Sludig. »Es ist sehr schön. Was konnte sie töten, solange sie eine Klinge besaßen wie diese?«
    »Wer kann schon wissen, wie es Colmund ergangen ist?«, sagte Binabik. »Aber sogar ein Schwert wie dieses wird einen Verhungernden kaum satt gemacht haben.«
    Alle starrten weiter auf die Waffe. Endlich richtete sich Grimmric, dem Höhleneingang am nächsten, aus der Hocke auf und schlug die dünnen Arme um sich.
    »Es ist, wie der Troll sagt. Schwerter kann man nicht essen. Ich mache uns Feuer für die Nacht.« Er trat vor die Höhle und streckte sich. Dabei pfiff er vor sich hin; die Melodie, zuerst leise, erklang bald lauter.
    »In den Felsspalten wächst Gestrüpp, das vielleicht zusammen mit unserem Anmachholz brennen wird«, rief Sludig ihm nach.
    Haestan beugte sich vor und berührte die schwarze Klinge vorsichtig mit dem Finger. »Kalt«, lächelte er. »Ist ja auch kein Wunder, was?« Er wandte sich, merkwürdig schüchtern, an Binabik. »Darf ich es aufheben?«
    Der Troll nickte. »Aber vorsichtig.«
    Haestan ließ die Finger unter den von einer Schnur umwickelten Griff gleiten und zog, aber das Schwert rührte sich nicht. »Festgefroren«, meinte er. Wieder zog er, diesmal fester, aber mit genauso wenig Erfolg. »Richtig fest angefroren«, keuchte er und zerrte mit aller Macht. Sein Atem stieg als Wolke empor.
    Sludig lehnte sich hinüber, um ihm zu helfen. Draußen vor der Höhle hörte Grimmric auf zu pfeifen auf und murmelte etwas Unverständliches.
    Als Rimmersmann und Erkynländer gemeinsam anpackten, bewegte sich das schwarze Schwert endlich, aber anstatt mit einem Ruck die Fesseln des Eises zu durchbrechen, glitt die Klinge lediglich ein kleines Stück zur Seite und blieb dort liegen.
    »Es ist nicht angefroren«, schnaufte Sludig. »Es ist schwer wie ein Mühlstein. Wir können es zu zweit kaum bewegen!«
    »Wie bekommen wir es dann den Berg hinunter, Binabik?«, fragte Simon. Am liebsten hätte er gelacht. Es war alles so albern und sonderbar – ein Zauberschwert zu finden und es dann nicht mitnehmenzu können! Er streckte die Hand aus und fühlte das tiefe, kalte Gewicht des Schwertes – und noch etwas. Wurde es warm? Ja, ein unbestimmtes Leben regte sich unter der kalten Oberfläche, wie eine schlafende Schlange, die langsam erwacht, oder bildete er sich das nur ein?
    Binabik betrachtete die unbewegliche Klinge und kratzte sich nachdenklich im zottigen Haar. Da kam Grimmric in die Höhle zurück, wild mit den Armen rudernd. Noch während sich alle nach ihm umdrehten, brach er in die Knie und sackte vornüber, schlaff wie ein Mehlsack.
    Ein schwarzer Pfeil zitterte in seinem Rücken.

    Blaues Licht badete die Silbermaske und umspielte ihre Umrisse mit blassem Feuer. Das Gesicht unter der Maske war einst Vorbild ihrer nun erstarrten, unmenschlichen Schönheit gewesen, aber kein lebendes Wesen wusste heute noch, was die Maske verbarg. Seitdem Utuk’kus Gesicht für immer unter ihren schimmernden Flächen verschwunden war, hatte die Welt sich unzählige Male gedreht.
    Die in blaues Licht getauchte Maske wandte sich um und betrachtete die riesige Steinhalle und ihre tiefen Schatten. Sie musterte ihre hin und her eilende Dienerschar, die sich mühte, ihre Befehle zu erfüllen. Die Stimmen erklangen in Liedern zu ihrem Preis und Gedenken; ihre weißen Haare flatterten im ewigen Wind der Halle der

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