Der Drachenbeinthron
Harfe. Beifällig lauschte sie dem Echo der dröhnenden Hexenholzhämmer im endlosen Irrgarten der Gänge, die das gefrorene Nakkiga durchzogen, den Berg, den die Nornen Maske der Tränen nannten. Bei den Menschen hieß ihr Wohnort Sturmspitze, und Utuk’ku wusste, dass er sie in ihren Träumen verfolgte … und das war gut so. Das silberne Gesicht nickte befriedigt. Alles war bereit.
Die Harfe, die im Nebel über dem Großen Brunnen schwebte, stöhnte plötzlich auf – ein trostloser Ton, wie Wind in den hohen Pässen. Die Nornenkönigin wusste, dass es nicht Seine Stimme war – nicht Er , der die Atmende Harfe zum Singen und Heulen bringen, Er , dessen wildes Lied die gesamte Brunnenhalle von unfasslichenMelodien widerhallen lassen konnte. Eine geringere Stimme war es, die durch die Harfe kroch, in ihren unendlichen Rätseln gefangen wie ein Insekt in einem versiegelten Labyrinth.
Sie hob einen in silberweißem Handschuh steckenden Finger wenige Zoll über den schwarzen Stein ihres Thrones und machte eine winzige Gebärde. Das Stöhnen wurde lauter, und im Nebel über dem Brunnen zitterte etwas und wurde sichtbar – das graue Schwert Jingizu, das in schmerzhaftem Licht pulsierte. Jemand hielt es fest, eine Schattengestalt, die Hand ein formloser Knoten um Jingizus Griff.
Utuk’ku verstand. Sie brauchte den Bittsteller nicht zu sehen. Das Schwert war da, weit wirklicher als jeder Sterbliche, dem sein Besitz für eine kurze Weile gestattet war.
Wer tritt vor die Königin der Hikeda’ya? , fragte sie, obwohl sie die Antwort längst wusste.
Elias, Hochkönig von Osten Ard, erwiderte die Schattengestalt. Ich habe mich entschlossen, die Bedingungen Eures Meisters anzunehmen.
Das Wort »Meister« erregte ihren Unwillen. Sterblicher, entgegnete sie endlich mit königlicher Lässigkeit, was du wünschst, sollst du erhalten. Aber du hast lange gewartet … fast zu lange.
Es gab … Das Schattenwesen mit dem Schwert in der Hand schwankte, als sei es erschöpft. Wie fleischlich, wie schwach doch diese Sterblichen waren! Wie hatten sie es nur fertiggebracht, so viel Schaden anzurichten? Ich dachte, fuhr es fort, es würde alles … anders ausgehen. Jetzt willige ich ein.
Natürlich willigst du ein. Und du sollst erhalten, was dir versprochen wurde.
Habt Dank, o Königin. Auch ich werde Euch geben, was ich versprochen habe.
Natürlich.
Sie senkte die behandschuhten Finger, und die Erscheinung verschwand. Tief im Inneren des Brunnens glühte ein rotes Licht auf, als Er kam. Er nahm die Harfe in Besitz, und sie vibrierte in einer Note vollendeten Triumphes.
»Ich … ich will nicht sterben«, keuchte Grimmric. Blutigen Schaum auf Kinn und Wangen, die schiefen Zähne bleich im aufgerissenen Mund, sah er aus wie ein Hase, den die Hunde gefangen und zerrissen haben. »Es … es ist so verdammt kalt.« Ein Schauer überlief ihn.
»Wer war das?«, kreischte Simon, der vor Schreck und Panik die Herrschaft über seine Stimme verloren hatte.
»Wer auch immer das ist«, murmelte Haestan und beugte sich über seinen am Boden liegenden Landsmann, »sie haben uns hier drin wie Ratten in der Falle.«
»Wir müssen weg!«, fauchte Sludig.
»Wickelt euch die Mäntel um den Arm«, sagte Binabik und holte das Blasrohr aus seinem Wanderstab. »Wir haben keine Schilde gegen die Pfeile, aber das wird wenigstens eine kleine Hilfe sein.«
Ohne ein Wort zu sagen, schritt Jiriki über den dahingestreckten Grimmric hinweg nach dem Höhleneingang. An’nai kam mit schmalen Lippen hinterher.
»Prinz Jiriki …?«, begann Binabik, aber der Sitha achtete nicht auf ihn.
»Kommt«, sagte Sludig, »wir können sie nicht allein hinausgehen lassen.« Er hob sein Schwert von dem Mantel, auf den er es gelegt hatte.
Während die anderen den Sithi zur Öffnung der Höhle folgten, warf Simon einen Blick auf das schwarze Schwert Dorn . Sie hatten einen so langen Weg zurückgelegt, um es zu finden – sollten sie es jetzt verlieren? Was war, wenn sie entkamen, aber von der Höhle abgeschnitten wurden und nicht zurückkehren konnten? Er legte die Hand auf den Griff und spürte, wie das Schwert seltsam bebte. Er zog daran, und zu seiner Verblüffung bewegte die Klinge sich. Ihr Gewicht war gewaltig, aber mit Hilfe beider Hände schaffte er es sogar, sie vorsichtig von dem gefrorenen Höhlenboden zu lösen.
Was war das? Ihm schwindelte. Zwei starke Männer hatten das Schwert nicht heben können, und ihm gelang es? Magie?
Vorsichtig schleppte
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