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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Gesicht zu sehen, nahm er schnell die Hand des Königs und küsste sie. Dann schritt er davon, und es war ihm noch viel seltsamer ums Herz als zuvor. Plötzlich kam es ihm vor, als sei der Körper seines Königs, den man der Erde anvertraute, nicht nur eine leblose Hülle, während die Seele frei davonflatterte wie ein frisch entfalteter Schmetterling. Die Geschmeidigkeit der Glieder, das so vertraute, ruhevolle Gesicht – wie Isgrimnur es unzählige Male erblickthatte, wenn der König in einer Schlachtpause ein paar Stunden Schlaf ergattert hatte –, das alles gab Isgrimnur ein Gefühl, als lasse er einen lebendigen Freund im Stich. Auch wenn er wusste, dass Johan Presbyter tot war, weil er die Hand des Königs gehalten hatte, als dieser die letzten Atemzüge tat, fühlte er sich trotzdem wie ein Verräter.
    So beschäftigt war er mit seinen Gedanken, dass er beinahe mit Prinz Josua zusammengestoßen wäre, der ihm auf seinem Weg zum Grabhügel geschickt auswich. Isgrimnur erkannte entsetzt, dass Josua auf einem grauen Tuch Johans Schwert Hellnagel vor sich hertrug.
    Was geht hier vor? , fragte sich Isgrimnur. Was will er mit dem Schwert?
    Als der Herzog die vorderste Reihe der Menge erreichte und sich wieder umdrehte, wurde sein Unbehagen noch größer. Josua hatte dem König Hellnagel auf die Brust gelegt und verschränkte jetzt Johans Hände über dem Griff.
    Aber das kann er nicht tun! , dachte der Herzog. Das Schwert gehört dem Thronerben – ich weiß, dass Johan es Elias geben wollte. Und wenn Elias es wirklich lieber mit seinem Vater beisetzen möchte, warum legt er es ihm dann nicht selber ins Grab? Das ist Wahnsinn! Wundert sich denn sonst niemand darüber?
    Isgrimnur blickte um sich, fand auf den Gesichtern ringsum aber nichts als Trauer.
    Jetzt kam Elias. Langsam schritt er an seinem Bruder vorbei, als nehme er teil an einem feierlichen Tanz – und so ähnlich war es ja auch. Der Thronerbe beugte sich über das Dollbord des Bootes. Was er seinem Vater mitgab, konnte niemand sehen, aber alle bemerkten, dass auf Elias’ Wange, als er sich abwandte, eine Träne glitzerte, während Josuas Augen trocken geblieben waren.
    Die Trauergemeinde sprach noch ein letztes Gebet. Ranessin, mit in der Seebrise wogenden Gewändern, besprenkelte die Seepfeil mit geweihten Ölen. Dann wurde das Boot langsam über die Schräge der Grube hinabgelassen. Schweigend arbeiteten die Soldaten mit ihren schweren Pfählen, bis es endlich einen Faden tief in der Erde lag. Dann formten sie aus einigen Balken ein Holzgewölbe, das dieArbeiter mit Grassoden bedeckten, eine über die andere geschichtet. Endlich häufte man Steine darauf, um das Felsmal für Johan den Priester zu vollenden, und die Trauergesellschaft machte sich auf den Weg und wanderte langsam über die Klippen am Rande des Kynslaghs nach Hause zurück.

    Der abendliche Leichenschmaus in der großen Halle der Burg war keine feierlich strenge Zusammenkunft, sondern eher ein ausgelassenes Fest. Gewiss, Johan war tot, aber er hatte ein langes Leben gehabt, weit länger als die meisten anderen Menschen, und ein Königreich hinterlassen, in dem Wohlstand und Frieden herrschten, mit einem starken Sohn als Thronfolger.
    In den Kaminen stapelten sich die Scheite; die tanzenden Flammen warfen seltsam hüpfende Schatten an die Wand. Schwitzende Dienerinnen und Diener eilten hin und her. Die Feiernden gestikulierten und riefen den Königen Trinksprüche zu, dem alten, der von ihnen gegangen war, und dem neuen, der am nächsten Morgen gekrönt werden sollte. Die Burghunde, große und kleine, bellten, balgten sich um heruntergefallene Brocken und wühlten im Stroh, das den Boden bedeckte. Simon, zum Dienst verpflichtet, musste eine schwere Weinkanne von Tisch zu Tisch schleppen und hatte, von grölenden Zechern angebrüllt und bespritzt, das Gefühl, in einer von den lärmenden Höllen aus Vater Dreosans Predigten seine Arbeit zu tun; die auf den Tischen verstreuten und unter den Füßen knirschenden Knochen konnten die Überreste von Sündern sein, die diese lachenden Dämonen erst gequält und dann fortgeschleudert hatten.
    Elias sah schon jetzt wie ein echter Kriegerkönig aus. Er saß an der Haupttafel, umgeben von seinen jungen adligen Günstlingen: Guthwulf von Utanyeat, Fengbald, der Graf von Falshire, Breyugar vom Westfold und andere. Alle trugen sie einen Streifen von Elias’ Grün am Trauerschwarz, und alle wetteiferten sie miteinander um den lautesten Trinkspruch,

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