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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der Wand ab, fasste die Laute fester und griff in sein Wams, aus dem er einen zweiten Becher zutage förderte. Mit einer Verbeugung hielt er ihn Simon hin.
    »Hier«, meinte er. »Den wollte ich eigentlich stehlen, Meister Simon, aber ich finde, wir sollten stattdessen gegenseitig auf unsere Gesundheit und das Andenken des alten Königs trinken – und bitte nenn mich nicht ›Herr‹, denn ich bin keiner.« Er klopfte mit dem Becher an die Kanne, bis Simon ihm nochmals eingoss. »Na also!«, erklärte der Fremde. »Und nun nenn mich Sangfugol – oder, wie der alte Isgrimnur es verstümmelt, ›Zongvogol‹.«
    Der Fremde ahmte den Rimmersgarder Akzent so hervorragend nach, dass Simon ein winziges Lächeln zustande brachte. Nachdem er sich verstohlen nach Rachel umgeschaut hatte, setzte er die Kanne hin und führte den Becher, den Sangfugol ihm gegeben hatte, an den Mund. Der rote Wein, stark und sauer, floss wie Frühlingsregen durch seine ausgedörrte Kehle; als er den Becher senkte, war sein Lächeln wesentlich breiter geworden.
    »Gehört Ihr zu Herzog Isgrimnurs … Gefolge?«, fragte Simon und wischte sich mit dem Ärmel die Lippen.
    Sangfugol lachte. Er schien schnell belustigt.
    »Gefolge! Was für ein Wort für einen Jungen, der Getränke bringt! Nein, ich bin Josuas Harfner. Ich wohne auf seiner Burg Naglimund, im Norden.«
    »Liebt der Prinz denn die Musik?« Aus irgendeinem Grund überraschte Simon dieser Gedanke. Er goss sich noch einen Becher ein. »Er sieht immer so ernst aus.«
    »Er ist auch ernst … aber das heißt doch nicht, dass er die Harfe oder das Lautenspiel geringschätzt. Es stimmt zwar, dass er meist meine melancholischen Lieder vorzieht, aber es gibt auch Zeiten, in denen er die ›Ballade vom Dreibeinigen Tom‹ oder anderes in dieser Art hören will.«
    Bevor Simon weiterfragen konnte, gab es an der Haupttafel großes Gejohle und Heiterkeit. Simon drehte sich um und sah, dass Fengbald einem anderen Mann einen Humpen Wein in den Schoß geschüttet hatte. Der andere, der betrunken war, wrang sein Hemdaus, während Elias und Guthwulf und der Rest der Edelleute spotteten und grölten. Nur der kahle Fremde im Scharlachgewand beteiligte sich nicht daran. Seine Augen blieben kalt, und ein schmales Lächeln entblößte die Zähne.
    »Wer ist das?«, wandte sich Simon wieder Sangfugol zu, der seinen Becher ausgetrunken hatte und jetzt die Laute ans Ohr hielt, an den Saiten zupfte und ganz leicht an den Wirbeln drehte. »Ich meine den Mann in Rot.«
    »Ja«, erwiderte der Harfner, »ich habe gesehen, wie du ihn anstarrtest, als ich kam. Entsetzlicher Kerl, wie? Das ist Pryrates, ein Nabbanai-Priester und einer von Elias’ Ratgebern. Die Leute sagen, er wäre ein hervorragender Alchimist, obwohl er dafür noch recht jung aussieht, findest du nicht? Ganz abgesehen davon, dass die Alchimie eigentlich keine passende Beschäftigung für einen Priester ist. Wenn man sich etwas umhört, erfährt man, dass er ein Zauberer sein soll, ein schwarzer Magier. Und wenn man noch genauer hinhört …« An dieser Stelle wurde, als wollte Sangfugol zeigen, wie scharf man lauschen müsste, seine Stimme zu einem Flüstern, sodass Simon sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen; er schwankte leicht und merkte, dass er gerade einen dritten Becher Wein ausgetrunken hatte. »Wenn du ganz, ganz sorgfältig hinhörst …«, fuhr der Harfner fort, »wirst du von den Leuten erfahren, dass Pryrates’ Mutter eine Hexe war und sein Vater … ein Dämon! « Sangfugol zupfte scharf an einer Lautensaite, und Simon sprang verblüfft zurück. »Aber, Simon, du darfst nicht alles glauben, was du hörst – schon gar nicht von betrunkenen Sängern!« Sangfugol beendete seine Worte mit einem Lachen und streckte die Hand aus. Simon starrte sie ratlos an.
    »Für einen Händedruck, mein Freund«, grinste der Harfner. »Es hat mir Freude gemacht, mich mit dir zu unterhalten, aber ich fürchte, dass ich jetzt wieder an meinen Tisch muss, wo mich andere mit Ungeduld erwarten. Leb wohl!«
    »Leb wohl.« Simon ergriff Sangfugols Hand und sah dann zu, wie sich der Harfner mit der Gewandtheit des erfahrenen Trunkenboldes durch den Saal schlängelte.
    Als Sangfugol wieder Platz genommen hatte, fiel Simons Blick aufzwei Mägde, die gegenüber an der Korridorwand lehnten, sich mit den Schürzen Luft zufächelten und schwatzten. Eine davon war Hepzibah, die Neue, die andere Rebah, eines der Küchenmädchen.
    In Simons Blut machte sich eine

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