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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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entsprachen, den er zuerst gesehen hatte. Er legte beide Hände flach auf die Mitte und drückte, begegnete jedoch nur dem ungerührten Widerstand mörtellosen Steins. Wieder drückte er, so fest er konnte; auch jetzt geschah nichts. Als er sich keuchend an die Mauer lehnte, fühlte er, wie selbst die warmen Stellen unter seinen Händen erkalteten. Eine plötzliche Vision von Pryrates – der Priester, oben in der Dunkelheit lauernd wie eine Spinne, ein breites Grinsen im knochigen Gesicht – ließ Simons Herz hämmern.
    »O Elysia, Mutter Gottes, mach auf!«, murmelte er ohne Hoffnung, die Handflächen vor Angstschweiß glitschig. »Mach doch auf!«
    Der Stein wurde plötzlich warm, dann so heiß, dass Simon loslassen musste. Auf der Wand bildete sich eine dünne goldene Linie, die wie ein Bach aus geschmolzenem Metall waagerecht dahinfloss, dann an zwei Enden nach unten rann und sich unten wieder vereinigte. Die Tür war da und schimmerte, und Simon brauchte nur die Hand zu heben und sie mit dem Finger zu berühren, und schon leuchteten die Linien heller; ja, es zeigten sich Spalten parallel zum Umriss der Tür. Vorsichtig griff er mit den Fingern nach einer Ecke und zog. Lautlos schwang eine Steintür auf und erfüllte den Raum mit Licht.
    Es dauerte einen Moment, bis seine Augen sich an die gleißende Flut gewöhnt hatten. Hinter der Tür führte ein steinerner Gang abwärts und verschwand um eine Ecke. Er war unmittelbar in den rauhen Fels der Burg gehauen. Gleich hinter der Tür brannte in einem Wandhalter hell eine Fackel. Es war ihr Licht, das ihn so geblendet hatte. Simon stand auf, die Katze in seinem Hemd eine angenehme Last.
    Hätte Pryrates eine Fackel brennen lassen, wenn er nicht vorhatte, wiederzukommen? Und was war das für ein seltsamer Gang? Er erinnerte sich, dass Morgenes etwas von alten Sithiruinen unter der Burg erzählt hatte. Dieses Mauerwerk hier war ganz bestimmt alt, aber grob und roh, ganz anders als die verfeinerte Eleganz desEngelsturms. Simon beschloss, sich schnell einmal umzusehen. Wenn der Gang nicht weiterführte, würde er wohl doch die Leiter hinaufklettern müssen.
    Die rauhen Steinwände des Tunnels waren feucht. Als Simon den Gang hinuntertappte, konnte er selbst durch den Fels ein dumpfes, dröhnendes Geräusch hören.
    Ich muss mich unterhalb des Wasserspiegels des Kynslagh befinden. Kein Wunder, dass die Steine und sogar die Luft so feucht sind . Er fühlte, wie Wasser, als wollte es seine Gedanken noch unterstreichen, in die Nähte seiner Schuhe drang.
    Wieder machte der Gang eine Biegung. Er führte immer noch abwärts. Das schwächer werdende Licht der Fackel am Eingang wurde durch eine neue Lichtquelle ersetzt. Als Simon um die nächste Ecke bog, wurde der Boden ebener und erweiterte sich, bis er nach etwa zehn Schritten vor einer Mauer aus unbehauenem Granit endete. Hier flackerte eine weitere Fackel in ihrem Ring.
    Links in der Wand gähnten zwei dunkle Löcher; am Ende, gerade hinter ihnen, schien es noch eine Tür zu geben, die fast unmittelbar neben dem Ende des Ganges lag. Wasser spritzte um Simons Schuhspitzen, als er weiterging.
    Die beiden Löcher schienen einmal Zimmer gewesen zu sein – höchstwahrscheinlich Zellen –, nun aber hingen zersplitterte Türen träge in den Angeln; das schwache Fackellicht enthüllte im Inneren nichts als Schatten. Ein feuchter Verwesungsgeruch drang aus diesen unbewohnten Räumen; Simon beeilte sich, an ihnen vorbeizukommen. Vor der Tür ganz hinten blieb er stehen. Die Katze in seinem Wams pikte ihn mit zarten Krallen, als er im unsicheren Licht nach den schweren Brettern spähte. Was mochte dahinter liegen? Noch eine modrige Kammer, oder ein Gang, der noch weiter in den vom See zerfressenen Stein führte? Oder vielleicht Pryrates’ geheime Schatzkammer, vor allen Blicken sicher … oder doch nur vor fast allen?
    In der oberen Mitte der Tür war eine Metallplatte befestigt. Simon konnte nicht erkennen, ob es sich dabei um ein Schloss oder die Abdeckung eines Gucklochs handelte. Als er es zu öffnen versuchte, wollte das Metall sich nicht bewegen und hinterließ Rostflecke aufseinen Fingern. Er blickte sich um und sah neben der offenen Tür zu seiner Linken ein abgebrochenes Stück Türangel liegen. Er hob es auf und stemmte es unter das Metall, bis sich die Platte unter widerwilligem Quietschen an einem von Rost und Salz starr gewordenen Scharnier nach oben hob. Nach einem schnellen Blick zurück und einem Moment stillen

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