Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
unbestimmtes Glühen wahr, das aus der Bodenluke drang. Brannte dort unten eine Fackel? Oder gab es vielleicht doch noch einen anderen Weg hinaus, eine Tür, die auf einen der unteren Zwinger hinausführte?
    Simon horchte eine Weile lautlos an der offenen Luke, um sicherzugehen, dass ihn diesmal niemand überraschte. Dann trat er vorsichtig auf die Leiter und stieg nach unten. Ein kalter Luftzug blähte sein Wams und überzog seine Arme mit Gänsehaut; er biss sich auf die Lippen und zögerte. Schließlich kletterte er weiter.
    Statt wie beim ersten Mal von einem weiteren Absatz unterbrochen zu werden, dauerte Simons vorsichtiger Abstieg dieses Mal länger. Zuerst kam das einzige Licht von direkt unter ihm, als klettere er in einen Flaschenhals hinein, dann wurde es insgesamt heller, und bald stießen sein tastenden Füße auf Widerstand: An einer Seite der Leiter berührten seine Zehen Holz – er hatte den Boden erreicht.
    Als Simon von der Leiter trat, sah er, dass keine weitere Luke nach unten führte und die unterste Leitersprosse auf dem Boden ruhte. Die einzige Lichtquelle des Raumes und, nachdem jetzt die oberste Falltür verschlossen war, die einzige Beleuchtung überhaupt war ein seltsames, glühendes Rechteck, das ihm gegenüber an der Wand schimmerte, eine verschwommene Tür, die in gelblich flackerndem Licht auf die Mauer gemalt zu sein schien.
    Abergläubisch machte Simon das Zeichen des Baumes und schaute sich um. Der Raum war im Großen und Ganzen leer bis auf einen zerbrochenen Turnier-Schwenkbalken und ein paar andere Stücke ausrangierten Turnierzubehörs. Die verlängerten Schatten des Raumes ließen viele Ecken dunkel. Simon konnte nichts entdecken, das für einen Mann wie Pryrates von Interesse hätte sein können. Er trat näher an das schimmernde Muster auf der Wand heran und hielt dabei die Hände ausgestreckt, fünffingrige, von bernsteinfarbenem Licht umgebene Silhouetten. Jäh flammte das glühende Rechteck auf, um dann schnell zu verblassen. Ein Leichentuch völliger Schwärze senkte sich über alles.
    Simon war allein in der Finsternis, kein Laut außer dem Dröhnen seines Blutes in den Ohren, das klang wie ein ferner Ozean. Er machte einen vorsichtigen Schritt nach vorn, und nur das Geräusch seines am Boden scharrenden Schuhs füllte für einen Augenblick die Leere. Ein zweiter Schritt und noch einer – seine ausgestreckten Finger fühlten kalten Stein … und noch etwas: merkwürdige, schwache Wärmelinien. Er sank vor der Mauer in die Knie.
    Jetzt weiß ich, wie man sich ganz unten in einem Brunnen fühlt. Hoffentlich wirft wenigstens niemand Steine auf mich herunter.
    Während er noch so dasaß und überlegte, was er als Nächstes anfangen sollte, vernahm er ein schwaches Wispern. Gleich darauf stieß ihn etwas gegen die Brust, und ihm entfuhr ein Ruf der Überraschung. Bei seinem Aufschrei verschwand die Berührung, war jedoch sogleich wieder da. Etwas stupste sanft an sein Wams und schnurrte.
    »Katze!«, flüsterte er.
    Du hast mich gerettet, weißt du . Simon streichelte das unsichtbare Wesen. Komm, schön ruhig. Man kann ja kaum ein Ende vom andern unterscheiden, wenn du dich so windest. Jawohl, du hast mich gerettet, und ich werde dich aus diesem Loch herausholen, in das du geraten bist.
    »Natürlich stecke ich im selben Loch«, sagte Simon laut. Er hob das pelzige Geschöpf auf und verstaute es in seinem Wams. Das Schnurren der Katze wurde tiefer im Ton, und sie machte es sich auf seinem warmen Bauch bequem. »Ich weiß, was das glühende Ding war«, sagte er ganz leise. »Eine Tür. Eine magische Tür.«
    Es war die magische Tür Pryrates, und Morgenes würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, weil er auch nur in ihre Nähe gekommen war. Aber Simon empfand eine gewisse verstockte Entrüstung: Schließlich war das hier auch seine Burg, und die Vorratskammern gehörten keinem Emporkömmling von Priester, so furchteinflößend er auch sein mochte. Auf jeden Fall, wenn er die Leiter hinaufkletterte und Pryrates noch dort war … selbst Simons wiedererwachender Stolz ließ nicht zu, dass er sich Illusionen über das machte, was dann geschehen würde. Also hieß es, entweder den ganzen Abend am Boden eines pechschwarzen Lochs hocken zu bleiben, oder …
    Er presste die flache Handfläche an die Wand und ließ sie über die kühlen Steine gleiten, bis er die Wärmestreifen wiederfand. Er folgte ihnen mit den Fingern und erkannte, dass sie in etwa dem rechteckigen Umriss

Weitere Kostenlose Bücher