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Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Lautlos entschuldigte sich Ben bei dem Gott für seine Lüge und versprach ihm ein kleines Opfer im steinernen Sonnenrad, denn auch eine solche Lüge beschwor den Zorn Hellwahs herauf, wenn auch keinen unerbittlichen. Langsam glitten Ben und Aiphyron am Lager der Holzfäller vorbei.
    »Passt ein wenig auf«, rief der größte der Männer ihnen noch nach. »Auf dem Fluss seid ihr von oben gut zu erkennen, und heute früh erst habe ich einen geflügelten Drachen am Himmel gesehen.«
    »Danke!«, rief Ben.
    »Und passt auf unsere Stämme auf. Nach unserer Pause schicken wir sie auf die Reise. Trödelt also bloß nicht, sonst holen die Tothölzer euch ein und rollern euch nass.« Der Mann lachte laut auf, und seine Kameraden fielen mit ein, klopften sich auf die Schenkel und ihm auf die Schultern.
    Ben verstand den Humor der Holzfäller nicht, aber er wollte ihre raue Herzlichkeit nicht unbeantwortet lassen.
    »Die Goldesche auch?«, lachte er also zurück. »Dann lassen wir uns gern einholen.«
    »Was hast du gesagt?«, schrie der Zottelige nun plötzlich. Er verstand wohl Bens Humor nicht. »Hier gibt es keine Goldesche, klar? Und niemand lässt eine Goldesche einfach so den Fluss runtertreiben, niemand!«
    »Schon gut, schon gut. Das war doch nur Spaß«, winkte Ben ab.
    »Spaß? Niemand macht einen Spaß über eine Goldesche! Jetzt reicht’s!«, brüllte der Holzfäller und sprang in den Fluss.
Mit kräftigen Zügen und hochrotem Kopf schwamm er auf sie zu. Er sah aus, als wollte er Ben sämtliche Knochen brechen. Vielleicht dachte er, man könne Wallfahrer verprügeln, ohne Hellwahs unerbittlichen Zorn hervorzurufen, solange man den Wallfahrer dabei nicht vom Weg abbrachte. »Niemand spricht über eine Goldesche, die ihm nicht gehört! Niemand!«
    »Was regst du dich so auf?«, schrie Ben zurück. Er konnte es einfach nicht leiden, wenn irgendwer ihm vorzuschreiben versuchte, was er tun und lassen sollte. »Du hast gesagt, dass das keine Goldesche ist. Nichts anderes werden wir den Leuten überall den Fluss hinab erzählen. Nämlich, dass wir keine Goldesche gesehen haben. Da es keine Goldesche ist, können wir ja über den Baum reden, der eben nur so aussieht wie eine Goldesche. Wir sagen allen, dass wir Ahnungslosen uns geirrt haben.«
    Aiphyron ließ ein leises, amüsiertes Glucksen hören, doch die drei anderen Holzfäller brüllten nun ebenfalls auf und sprangen in den Fluss.
    »Hauen wir ab. Und lass sie nicht deinen Flügel sehen«, zischte Ben.
    Aiphyron grinste und nahm den Kopf halb unter Wasser. Ben hörte es schlürfen, dann hob Aiphyron den Kopf wieder und schnaubte eine heftige Wasserfontäne aus seinen Nüstern in das Gesicht des ersten Holzfällers. Der Strahl war so heftig, dass selbst dieser riesige Mann unters Wasser gedrückt und zurückgespült wurde. Dann riss Aiphyron sein Maul auf und brüllte, dass es in Bens Ohren hallte und er am ganzen Körper zitterte. Wellen breiteten sich ringförmig von Aiphyron weg aus, und Vögel stiegen kreischend in den Bäumen am Ufer auf und stoben davon.

    Die Holzfäller verharrten mitten im Sturmlauf, ihre Gesichter waren bleich, die Münder standen offen, alle Kraft schien aus ihnen gewichen. Spuckend und fluchend tauchte der Fortgespülte auf, und alle vier zogen sich stumm zurück. Keiner rief mehr etwas, ihnen war wohl erst jetzt richtig bewusst geworden, was es bedeutete, einen Drachen anzugreifen. Solange Aiphyrons Körper unter Wasser war, hatten sie nur einen Jungen und einen freundlich grinsenden Reptilienkopf wahrgenommen. Jetzt hatten sie auch seine Zähne gesehen und seine Kraft gespürt. Mit hängenden Schultern schlichen sie ans Ufer und blickten dabei immer wieder zu Ben und Aiphyron zurück.
    »Dem hast du’s gezeigt.« Begeistert klatschte Ben dem Drachen auf den Hals. Er war selbst noch ganz benommen von dem Gebrüll.
    »Nein, nein, du hast es ihnen gezeigt. Der Baum, der keine Goldesche ist. Das hat sie wirklich wütend gemacht, ein großartiger Spaß. Aber was ist eine Wallfahrt?«
    Ben stutzte kurz, aber dann dachte er, Drachen und Menschen waren eben doch sehr unterschiedlich. Und er erklärte Aiphyron, dass man bei Wallfahrten bestimmte heilige Orte aufsuchte, um dort den Segen eines Gottes zu erbitten, um Erkenntnis zu erlangen oder Heilung von einer schlimmen Krankheit. Eine Wallfahrt von der Quelle eines Flusses bis zu seinem Ende verhalf zu einem langen und glücklichen Leben, von der Geburt bis zum Tod eben. Frisch Vermählte

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