Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Knappe?«
Er zitterte. Die Königin war für ihre Wutausbrüche berüchtigt. Jeder wusste, was mit den Menschen geschah, die sie erzürnten. »Wir nennen sie Schneeflocke, Eure Heiligkeit.« Kailin kniff die Augen fest zusammen und wartete auf die feste Ohrfeige, die unwiderruflich folgen würde.
»Nun gut, Knappe. Schneeflocke. Wie geht es ihr?«
»Immer noch … ausgezeichnet, Eure Heiligkeit.« Er spürte ihren durchdringenden Blick, der auf ihm ruhte, konnte sich jedoch nicht überwinden, die Königin anzusehen.
»Du sorgst dafür, dass es auch so bleibt. Und lern, deine Zunge im Zaum zu halten, Knappe. Du und dein Drache werden schon vor dem nächsten Vollmond Prinz Jehal gehören. Er wird ihr den Namen geben, der ihm beliebt, und er ist nicht für sein nachsichtiges Wesen bekannt.« Sie lachte. »Wenn du Pech hast, wird er glauben, du seist ein Spion.«
Sie machte auf dem Absatz kehrt und ließ ihn zitternd zurück.
3
Der Drachenmeister
D er Knappe war in dem Moment vergessen, als Shezira ihm den Rücken zuwandte. Nur noch zwei Tage, und sie würden die lange Reise antreten, beinahe von einem Ende des Reichs bis zum anderen. Zwei Wochen später kämen sie dann in König Tyans Palast an. Prinz Jehal wäre dort. Sie würde Jehal ihre makellose Weiße und ihre jüngste Tochter darbieten, und im Gegenzug würde er ihr die Lordschaft über alle Reiche übertragen. Oder besser gesagt, er hätte keine Einwände dagegen, dass sie die Macht an sich riss.
Sie lächelte. Lordschaft? Oder sollte es nicht eher Ladyschaft heißen? Es wäre nicht das erste Mal, dass der Sprecher eine Königin und kein König war, aber das war schon lange her. Zu lange.
Das Drachennest war an einen Steilhang gebaut. Der Großteil des Nests bestand aus einem riesigen, unterirdischen Tunnelsystem, und so wirkte der Bau von außen sehr unscheinbar. Angesengter Stein und verkohlte Erde sowie hier und da Hügel aus dampfendem Drachendung. Jenseits des Steilhangs blickte man, so weit das Auge reichte, auf Felder voll mit Rindern, dazwischen verstreut lagen vereinzelte Gehöfte. Und natürlich waren normalerweise immer ein paar Drachen auf dem Berg zu sehen, die gestriegelt und trainiert, gesattelt und gefüttert wurden oder einfach nur die Sonne genossen.
Das einzige Bauwerk, das aus dem Drachennest herausschaute, war ein mächtiger Turm, der Bergfried. Als die Königin in Richtung der Tore schritt, wurden sie geschwind geöffnet. Soldaten strömten heraus, stellten sich in Reih und Glied auf und salutierten vor ihr. In ihrer Mitte war Isentine, der Drachenmeister, von Kopf bis Fuß in Drachenschuppen und Gold gekleidet. Shezira blieb vor ihm stehen, und er fiel auf die Knie, um ihr die Füße zu küssen. Er wurde allmählich alt. Der gepeinigte Zug um seine Mundwinkel, als er sich mühsam wieder aufrappelte, missfiel ihr. Sie musste Isentine bald ersetzen, was ihr ganz und gar nicht behagte. Er war fähig und treu ergeben, und es würde schwierig werden, einen gleichwertigen Nachfolger zu finden. Aber wenn er sich nicht einmal mehr anständig verbeugen konnte …
»Kommt schon, kommt schon, steht auf!«, zischte sie leise. Alle Soldaten beobachteten sie.
»Eure Heiligkeit.«
Shezira biss sich auf die Lippe, als sie sein Gesicht sah. Er wirkte so müde, beinahe wie erschlagen.
»Drachenmeister Isentine.« Sie rang sich ein Lächeln ab und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Eure Augen werden im Laufe der Jahre immer schärfer. Ihr habt mein Kommen aus weiter Entfernung bemerkt.«
Der Drachenmeister verbeugte sich erneut, eine kleine Verneigung von der Hüfte aus, was ihn nicht weiter anzustrengen schien. »Ich lebe allein, um Euch zu dienen, Eure Heiligkeit.«
»Und das gelingt Euch sehr gut.« Sie ging an ihm vorbei. »Wie ich höre, ist ein neuer Drache geschlüpft. Lohnt es sich, dass ich mir die Mühe mache, ihn mir anzuschauen?«
»Leider nicht, Eure Heiligkeit.« Isentine nahm wieder seine normale Haltung ein und folgte ihr in knappem Abstand. »Ein weiteres Junges, das seine Nahrung verweigert und dahinsiecht.«
»Schon wieder?« Ein gereizter Unterton schwang in ihrer Stimme mit, was sie noch mehr verärgerte. Eine Königin sollte niemals ungehalten klingen.
»Es tut mir sehr leid, Eure Heiligkeit.«
»Von den letzten vier Eiern ist also aus dreien nichts geworden. Normalerweise verlieren wir nicht so viele.« Der Drachenmeister konnte sich ihrem Tempo mühelos anpassen, bemerkte Shezira erfreut, also
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