Der Drachenthron: Roman (German Edition)
er sich aufrichtete und sie zur Seite drängte. Vergeblich versuchte sie sich umzudrehen. Einmal, zweimal stieß er sie fest von sich. Sie ruderte verzweifelt mit den Armen, und im nächsten Moment war sie verschwunden. Jehal setzte sich wieder und drückte sich fest in den Sattel, presste die Beine gegen den Drachen und legte rasch die Gurte an. Er konnte kaum glauben, wie leicht es gewesen war.
Der Drache legte die Flügel an und tauchte rasch hinter Aliphera her, aber das war lediglich ein Reflex, den man Jagddrachen antrainiert hatte. Er konnte sie nicht einholen. Alles, was er tun konnte, war, in ihrer Nähe zu landen und dann dort zu warten, wehleidig jammernd und um Hilfe jaulend. Niemand konnte einen solchen Sturz überleben.
Er klammerte sich am Drachen fest und warf einen Blick über die Schulter, lauschte Königin Alipheras Schreien und beobachtete genüsslich ihren Fall, bis sich der Erdboden nach ihr streckte und sie verschlang.
»Genau so hat es sich deine Tochter vorgestellt«, zischte er.
Teil 1
Das Goldene Ei
Wenn ein Drachenreiter einen neuen Drachen für sein Nest wünscht, wird er einen der Drachenkönige oder eine der Drachenköniginnen anschreiben und sie höflichst um diesen Gefallen bitten. Falls der Reiter klug ist, wird dem Brief ein Geschenk beiliegen. Es versteht sich von selbst, dass die Wahrscheinlichkeit einer wohlwollenden Antwort mit der Großzügigkeit des Geschenks wächst. Das Geschenk ist das erste einer Reihe von Entlohnungen und wird überreicht, lange bevor ein passender Drache überhaupt das Licht der Welt erblickt. Dieses Geschenk wird auch das Goldene Ei genannt.
Da Drachen rar und Könige wankelmütig sind, ist der Ausgang der Dinge stets ungewiss.
1
Sollos
E s waren drei Reiter. Sollos hatte sie in der Ferne auf den Feldern jenseits des Waldes landen sehen. Sie waren gemeinsam auf dem Rücken eines einzigen Kriegsdrachen hierhergekommen, und einer von ihnen war zurückgeblieben, um den Drachen zur Ruhe zu bringen. Die anderen beiden waren geradewegs auf die Bäume zumarschiert, hastig und unbeirrt. Sollos beobachtete, wie sie an ihm vorbeigingen, und schlich ihnen dann lautlos hinterher. Sie waren von Kopf bis Fuß in ihre Rüstung aus Drachenschuppen gekleidet, und Sollos dachte amüsiert, dass der Drache sie ruhig hätte begleiten können. Er hätte auch nicht mehr Lärm veranstaltet.
Sollos atmete leise ein und aus und folgte ihnen in gebührendem Abstand. Wenn nur die Männer, die auf die Reiter warteten, nicht plötzlich kalte Füße bekamen.
Nach etwa hundert Metern erhob sich der Waldboden zu einem kleinen Hügel, auf dem ein hochkant aufgestellter Fels thronte. Früher einmal war es eine Kultstätte gewesen, damals, in den Zeiten der alten Götter, doch nun hatte der Wald den heiligen Ort beinahe verschluckt. Die Reiter kletterten zielstrebig auf den Hügel und blieben neben dem Stein stehen.
»Hier ist es doch, oder?«, fragte einer der beiden in ungeschicktem Flüsterton.
Der andere war sogar noch schlimmer. Er lehnte sich an den Stein und holte umständlich seine Zunderbüchse hervor. Sollos konnte nicht glauben, was er da sah, oder besser gesagt, was er da roch. Der Dummkopf rauchte Pfeifenkraut.
»Es kommt fast einer Beleidigung gleich«, hauchte ihm eine Stimme ins Ohr. Sollos erstarrte einen Augenblick, bevor er sich wieder entspannte. Kemir. »Sie sind so geschickt wie ein Elefant im Porzellanladen.«
»Ich wünschte nur, du würdest das lassen, Cousin.« Sollos zischte die Worte durch seine zusammengepressten Zähne, um jegliches Geräusch zu vermeiden. Er konnte förmlich spüren, wie Kemirs Lippen sein Ohr berührten, so nah war er. Es war ihm schrecklich unangenehm. Wie konnte sich Kemir derart nah an ihn heranschleichen, ohne dass er ihn auch nur im Entferntesten bemerkt hätte?
»Keine Sorge. Wir stehen gegen den Wind, und die Männer, die sie erwarten, befinden sich auf der anderen Seite des Hügels. Und das schon seit geraumer Zeit. Sie werden allmählich ungeduldig.«
»Wahrscheinlich fragen sie sich, warum die Kerle nicht einfach auf dem Rücken ihres Drachen durch die Äste geprescht sind.«
»Dasselbe frage ich mich langsam auch.«
»Die Männer auf der anderen Seite des Hügels. Sind es immer noch drei, oder sind inzwischen weitere Männer dazugestoßen?«
»Drei.«
Sollos holte tief Atem und ließ die Luft langsam wieder entweichen. Er war sich einfach nicht sicher, was er von der ganzen
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