Der Drachenthron: Roman (German Edition)
steckte vielleicht doch noch genügend Lebenskraft in ihm. Für den Augenblick.
»Es ist ungewöhnlich, Eure Heiligkeit, aber die Alchemisten versichern mir, dass man von Zeit zu Zeit mit solchen Dingen rechnen muss. Gleichzeitig haben sie mir versprochen, dass sich das Blatt auch wieder wenden wird.«
»Und glaubt Ihr ihnen?« Shezira schüttelte den Kopf. »Antwortet nicht. Einer pro Monat, Isentine. Das erwarte ich von Euch. Ein gutes Ei jeden Monat. Aber das ist nicht der Grund meines Kommens.« Sie waren nun außerhalb der Hörweite der Soldaten und passierten schweigend die Tore, die zum Bergfried führten.
»Hat Eure Heiligkeit einen besonderen Wunsch?«, fragte Isentine. »Wir haben die üblichen Vorbereitungen getroffen. Parfümierte Bäder, ein Festmahl mit den ausgesuch – testen Delikatessen aus dem gesamten Reich, Männer und Frauen, die nichts weiter begehren, als Euch glücklich zu machen.« Er hätte sie eigentlich besser kennen müssen, aber er war alt, und einige Gewohnheiten ließen sich nicht so leicht abschütteln.
»Wenn ihnen mein Glück derart am Herzen liegt, sollten sie ihre Zeit lieber darauf verwenden, meinen Töchtern Manieren und Respekt einzubläuen und ihnen begreiflich zu machen, dass ihr oberstes Ziel im Leben darin besteht, Gehorsam zu zeigen.«
Es dauerte einen Moment, bis Isentine diese scharfen Worte verdaut hatte, was Shezira ein Lächeln entlockte. Der Etikette nach hätte sie so etwas in der Öffentlichkeit nicht sagen dürfen, weshalb es auch keine formelle Erwiderung gab. Sie durchschritten die Große Halle, eine düstere Höhle aus ockerfarbenem Stein, aus dem der Großteil der unteren Ebenen des Bergfrieds bestand.
»Ihr solltet etwas aus dieser Halle machen. Setzt ein paar Fenster ein.« Das Echo ihrer Schritte ließ die Höhle noch leerer, düsterer und trostloser erscheinen. »Vielleicht sollte ich meine Töchter für eine Weile zu Euch schicken, hm?«
Sie erreichten das andere Ende des Saals, wo sich ein Gewirr aus ineinander verschlungenen Treppenfluchten in die höher gelegenen Teile der Burg wand.
»Das Arbeitszimmer, Eure Heiligkeit?«, fragte Isentine.
»Ja.« Die Halle war nicht so leer gewesen, wie Shezira anfangs geglaubt hatte. Vereinzelt bemerkte sie Soldaten, die Wache hielten, reglos wie Statuen und gut versteckt in kleinen Wandnischen, in denen sie kaum auffielen.
Als sie den oberen Treppenabsatz zu Isentines Arbeitszimmer erreichten, keuchte der Drachenmeister und war ganz außer Atem. Wie hoch war es? Hundertzwanzig Stufen bis zu diesem Balkon? Kopfschüttelnd musterte sie ihn, während er die Tür öffnete und dann geduldig wartete. Es würde wohl einfach nicht funktionieren.
Sie seufzte, ging hinein und setzte sich. »Ihr seid wirklich steinalt, Meister Isentine.« Sie beobachtete ihn, während sie sprach, und sah, wie ihre Worte ihn trafen. Was gut war. Er wusste, was zwangsläufig kommen musste, und ihre direkte Art würde ihnen beiden die Sache erleichtern.
»Ein wenig mehr als sechzig Jahre.« Er wirkte traurig.
»Ein wenig? Ihr seid schon so lange Drachenmeister, wie mein Erinnerungsvermögen zurückreicht. Fast auf den Tag genau ist es nun fünfundzwanzig Jahre her, dass ich hier ankam.« Lächelnd rief sie sich den Moment ins Gedächtnis, als sie zum ersten Mal im Bergfried gelandet war. »Ich war fünfzehn, König Antros als Gemahlin versprochen, und Ihr wart die erste Person, die ich erblickte. Damals hielt ich Euch für schrecklich gut aussehend.«
Isentines Kehlkopf hüpfte auf und ab, als versuchte er, etwas zu erwidern, aber die Worte schienen in seinem Hals festzustecken.
»Ich habe nie vergessen …«, fügte Shezira hinzu. »Ich habe nie vergessen, dass Ihr es wart, mehr als jeder andere, der mir zur Seite gestanden ist, als Antros so unerwartet verstarb. Wenn Ihr Euch gegen mich gewendet hättet, wäre ich jetzt nicht Königin. In den folgenden Jahren war Euch meine Dankbarkeit gewiss. Und daran hat sich nichts geändert.«
»Dann …« Beide wussten, was er sagen wollte. Gleichzeitig wussten beide, dass sie seine Bitte nicht erfüllen konnte.
»Ihr dürft bestimmen, wer der neue Meister über den Bergfried und meine anderen Nester wird, Isentine. Ich werde Eure Wahl respektieren. Aber Ihr könnt nicht länger Meister über meine Drachen sein. Hyrams Regierungszeit als Sprecher der Reiche neigt sich dem Ende. Ich werde ihm nachfolgen. Hier kann ich Euch verstecken, doch wenn ich vom Adamantpalast aus herrsche, kann
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