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Der Drachenwald

Der Drachenwald

Titel: Der Drachenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anu Stohner
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ihre Schritte auf dem Weg, dann hörten wir sie rufen.
    |74| »Aufmachen!«
    »He, aufmachen!«
    »Eugen, hörst du nicht!«
    Die Wilden Wölfe waren auch zurück, und wenn sie Pech hatten, konnten sie lange warten, bis jemand sie hörte. Ich fand, das geschah ihnen recht, und Wuschel fand das wahrscheinlich auch. Wir hatten nur ganz andere Sorgen und konnten ihnen leider nicht länger zuhören.
    Wir mussten uns durch den Wald zur Wackerburg durchschlagen, und falls ihr’s nicht längst erraten habt: Es war der Drachenwald, der so hieß, weil angeblich ein Drache drin hauste, der sich am liebsten Prinzessinnen holte, die auf der Landstraße vorüberkamen. Wenn dann Ritter kamen und sie befreien wollten, fraß er sie auf, angeblich mitsamt ihrer Rüstung, die schmolz, weil er so einen heißen Atem hatte. Das war zwar schon lange nicht mehr passiert, wie ich von den Wackerburger Freunden wusste, aber es waren auch lange keine Prinzessinnen mehr vorbeigekommen. Bis heute.
    Ich gab Wuschel einen Klaps auf den Kopf und flüsterte leise:
    »Okay, ich weiß nicht, ob es richtig ist, was wir machen, aber wenn er’s sagt   …«

|75| Das zehnte Kapitel,
in dem Wuschel beleidigt ist (So sieht es jedenfalls aus!)
    Eine Weile hörten wir die Wilden Wölfe noch schreien, aber bald wurde es immer stiller im Drachenwald. Das Lauteste, was man hörte, waren trockene Zweige, die unter meinen Füßen knackten. Ich kriegte jedes Mal einen Heidenschreck, und Wuschel schaute mich an, als wollte er sagen: »Ihr Menschen seid schon fürchterliche Trampel.« Unter seinen dicken Pfoten knackte es kein einziges Mal.
    »Knacks!«
    Ich war wieder auf was Trockenes getreten, und diesmal musste es ein besonders dicker trockener Zweig gewesen sein.
    »Schon gut«, sagte ich, als Wuschel mich anschaute. »Geh du voran, vielleicht wird’s dann besser.«
    Wuschel guckte, als wollte er sagen: »Darauf hättest du auch früher kommen können.«
    Aber er hatte ja recht.
    Von da an ging ich in seiner Spur, und ich weiß nicht, wie er’s machte, aber es knackte kein einziges Mal. Dafür war es jetzt unheimlich still im Drachenwald. Und dunkel. Unheimlich dunkel. Nur das leise Rascheln war zu hören, wenn Wuschel und ich im Vorbeigehen ein Zweiglein an einem Strauch oder einen Farnwedel streiften. Aber das hätte genauso gut ein Windhauch hoch über uns in den Baumwipfeln sein können. Richtig erkennen konnten wir bald gar nichts mehr. Wuschels Hinterteil ahnte ich mehr, als dass ich es sah.

    |77| »Was glaubst du, sind wir auf dem richtigen Weg?«, fragte ich Wuschel und flüsterte dabei, obwohl uns ja garantiert niemand hören konnte, außer vielleicht   – aber daran wollte ich lieber nicht denken. (Das überlasse ich euch, wenn ihr euch beim Lesen gern gruselt, aber eins kann ich euch verraten: Wenn man selbst in einem finsteren Drachenwald steckt, kann man aufs Gruseln gut verzichten!)
    Wuschel reagierte auf meine Frage nicht mal. Wahrscheinlich kränkte sie ihn in seiner Wunderhundehre, und er war nur zu höflich, es mir zu zeigen. Oder reagierte er doch? Er ging nämlich plötzlich schneller. Robert geht manchmal schneller, wenn ich was sage, was er nicht hören will, zum Beispiel dass es eine blöde Idee ist, mit |78| dem Mountainbike, ohne abzusetzen, bis in unser Klassenzimmer im ersten Stock zu fahren. Warum ich es eine blöde Idee finde, könnt ihr euch vielleicht denken.
    »He, Wuschel, jetzt sei doch nicht beleidigt!«, sagte ich.
    Aber Wuschel reagierte wieder nicht. Er ging nur noch ein bisschen schneller. Das hätte Robert nicht gemacht. Er hätte sich umgedreht und gesagt: »Bin ich doch gar nicht, Blödmann!«, und alles wäre wieder gut gewesen.
    »Wuschel!«
    Ich schrie schon fast, weil ich sein Hinterteil nicht mal mehr ahnte.
    »Wuschel, Mensch, mach keinen Quatsch!«
    Jetzt schrie ich wirklich, und daran, dass ich zu Wuschel »Mensch« sagte, könnt ihr sehen, wie verzweifelt ich war. Ich machte noch ein paar Schritte, dann blieb ich stehen.
    Ich stand im stockfinsteren Drachenwald und lauschte. Da war kein noch so leises Rascheln, wie wenn jemand Zweiglein oder Farnwedel streifte. Kein Laut. Nichts. Nur Totenstille.
    Wuschel war weg.
    Und ich war mutterseelenallein.

|79| Das elfte Kapitel,
in dem fürchterliche Stimmen durch den Drachenwald hallen (Hrrrrrghrrr!)
    Soll ich euch was sagen: Ich hab für so was nicht die Nerven. Dafür, plötzlich mutterseelenallein in einem stockfinsteren Drachenwald zu stehen, meine ich.

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