Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drachenwald

Der Drachenwald

Titel: Der Drachenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anu Stohner
Vom Netzwerk:
Ich wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Weitergehen? Aber wohin? Hinter Wuschel her, klar. Aber in welche Richtung war das? Geradeaus, klar. Er kannte den Weg zur Wackerburg, und warum sollte er irgendwelche Umwege machen. Aber wisst ihr, wie lange ein Mensch im Dunkeln geradeaus gehen kann? Keine zwanzig Schritte (ihr könnt’s mir glauben, ich hab’s im Internet nachgeschaut), dann treibt es ihn ab, und irgendwann läuft er nur noch im Kreis.
    Und wer sagte überhaupt, dass Wuschel weiter in Richtung Wackerburg ging? Vielleicht war er so beleidigt, dass er zurückwollte zu Robert. Seinem Herrchen. Und meinem besten Freund. Ach, egal, was Wuschel vorhatte,
ich
wäre gern zu Robert zurückgegangen. Lieber den Raubrittern in |80| die Hände fallen als mutterseelenallein im finsteren Wald darauf warten, dass einen ein fürchterlicher Drache holt! So dachte ich und war schon nahe daran umzukehren, als mir einfiel, dass beim Im-Dunkeln-Zurückgehen wahrscheinlich genau dasselbe passierte wie beim Im-Dunkeln-Weitergehen. Wenn das so war, konnte ich genauso gut bleiben, wo ich war.
    Ach Mensch, Robert, was für eine blöde Idee aber auch, mich mit Wuschel wegzuschicken!, dachte ich. Selbst wenn wir es bis zu den Wackerburger Freunden geschafft hätten, was dann? Sollten die vielleicht Wolfeck stürmen? Die Raubritter waren denen doch haushoch überlegen. Wir sollten im Wald vor der Raubritterburg auf ein Zeichen von ihm warten   – was eigentlich für ein Zeichen? Und was dann? Wie hatte ich mich bloß auf so einen blödsinnigen Plan einlassen können? Ich wusste doch, wie Roberts Pläne ausgingen! Okay, nicht alle, aber viele. Die meisten   …
    So weit war ich mit meinen Gedanken, als ich mich einfach auf den Boden setzte. Irgendwo hingehen hatte keinen Sinn, also konnte ich mich genauso gut hinsetzen. Vielleicht kam ja Wuschel zurück. Vielleicht war er gar nicht beleidigt. Vielleicht |81| hatte er mich nur verloren, und wenn er’s merkte, kam er mich holen. Hunde haben ja bekanntlich kein Problem, denselben Weg zurückzufinden. Auch im Dunkeln nicht. Und Wunderhunde schon gar nicht. Ach Mensch, Wuschel!, dachte ich, und während ich das dachte, war es noch totenstill. Aber gleich darauf ging es los.
    »Hrrrrrghrrr   …!«
    Wuschel! Das war Wuschel! So klang seine tiefe, rumpelige, fürchterliche Stimme, wenn er knurrte, weil er wegen irgendwas sauer war.
    »Hrrrrrghrrr   …!«
    Mit der Stimme hatte Wuschel die Wilden Wölfe zu Tode erschreckt, weil sie dachten, es wäre der Drache im Drachenwald. Ich sprang auf und spitzte die Ohren, ob ich hören konnte, aus welcher Richtung sie kam.
    »Hrrrrrghrrr   …!«
    Von vorn! Die Stimme kam von vorn!
    »Wuschel!«, rief ich. »Wuschel, ich komme!«
    Ich schoss durch den finsteren Wald, dass es nur so knackte. Was kümmerten mich trockene Zweige! Da vorne irgendwo war Wuschel, und so nah, wie seine Stimme geklungen hatte, konnte es nicht mehr weit bis zu ihm sein.
    »Wuschel!«, rief ich.
    |82| »Knack!«, machte es unter meinen Füßen. »Knack-knack-knack!«
    »Wuschel!«, rief ich.
    Und plötzlich merkte ich, es war wieder totenstill. Nur meine Schritte waren noch zu hören   – »knack-knack-knack!«   – und, als ich stehen blieb, mein Schnaufen.
    »Wuschel!«, rief ich noch ein letztes Mal, aber es kam keine Antwort.
    Ich stand lange da und lauschte in die Finsternis, und wisst ihr was: Je länger ich da stand und lauschte, desto mehr kam ich ins Grübeln: Wuschels Stimme war so fürchterlich, dass die Wilden Wölfe sie für eine Drachenstimme gehalten hatten. Die Wilden Wölfe waren Jungs aus dem Mittelalter, wahrscheinlich kannten die sich mit Drachen aus, auch wenn sie vielleicht nicht jeden Tag welche sahen. So wie wir uns zum Beispiel mit Gorillas oder Walen auskennen, auch wenn wir sie nicht jeden Tag sehen. Wenn die (die Mittelalterjungs jetzt) also Wuschels Stimme mit einer Drachenstimme verwechselten, dann musste sie schon echt nach Drache klingen. Und wenn das so war, wer sagte dann, dass es mir nicht genau umgekehrt gehen konnte? Was, wenn das gerade nicht Wuschel, sondern der richtige Drache |83| gewesen war? Ich weiß nicht, wie es euch gegangen wäre, aber mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, und meine Beine fühlten sich an wie aus Knete.
    Genau da fing es wieder an:
    »Hrrrrrghrrr   …!«
    Und es kam von vorne rechts. Wenn es Wuschel war, sollte ich da hinlaufen. Aber wenn es der Drache war, lief ich besser nach hinten

Weitere Kostenlose Bücher