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Der Drachenwald

Der Drachenwald

Titel: Der Drachenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anu Stohner
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Mädchen toll finden, wenn man andere Jungs veräppelt, und wie eine vornehme Prinzessin tickte, wusste ich gleich gar nicht. Also entschied ich mich vorsichtshalber für die coole Nummer.
    »Bloß Drachen«, sagte ich.
    »Drachen?«
    Oh Mann, der Maikäfer machte es mir wirklich schwer, ihn nicht zu veräppeln. Aber ich |93| widerstand der Versuchung, ihn zu fragen, ob er was mit den Ohren hatte. Ich sagte nur:
    »Zwei.«
    »Zwei?«
    Ich nickte, aber leicht fiel mir das nicht. Und die Prinzessin lächelte. Sie merkte, was los war, und dass ich so rücksichtsvoll war, gefiel ihr. Es gefiel ihr sogar sehr! Man hätte blind sein müssen, um das nicht zu sehen. Ich fiel fast wieder in Ohnmacht vor Glück und kriegte butterweiche Knie. Und jetzt nahm sie auch noch meine Hände und schaute mir mit einem zuckersüßen Lächeln in die Augen, dass ich sie zumachen musste, sonst hätte ich das nicht ausgehalten.
    »Weißt du, Tim«, hörte ich sie mit ihrer Samtstimme sagen. »Mein Liebster ist noch nie Drachen begegnet, darum ist er so aufgeregt. Aber er ist es nur wegen mir.«
    »Verstehe«, sagte ich mit immer noch geschlossenen Augen.
    Aber ich verstand erst mal gar nichts. Das »Verstehe« war mir in meiner halben Ohnmacht nur so rausgerutscht, und erst als es schon raus war, machte es bei mir »klick!«.   – »Mein Liebster«, hatte sie gesagt. Und das
konnte
man nicht verstehen! Dieser wild gewordene Maikäfer sollte ihr Liebster |94| sein? Das gab’s doch nicht! Ich musste mich verhört haben.
    »Dei-dein   …«, stotterte ich, als ich die Augen wieder aufmachte.
    Inzwischen stand der Maikäfer neben ihr, und sie schmiegte sich in seinen Arm. Sie lächelte immer noch, aber ihre Augen waren jetzt schräg nach oben gerichtet. Und da oben war er. Und er lächelte schräg zu ihr herunter. Wenn nicht bald was passierte, knutschten die noch! Es war ekelhaft. Oh Mann! Was sollte ich denn jetzt sagen? Irgendwas, was mit »Dein« anfing, damit sie nicht merkten, was ich eigentlich hatte sagen wollen. Irgendwas mit »Dein«.   – Oh Mann, ich bin einfach nicht gut in so was   …
    Und dann sagte ich: »Dein Kleid.« Aua, was für ein Stuss! Was sollte das denn? Gleich würde sie sagen: »Ja, was ist damit?«, und ich Dödel würde kein Wort mehr rauskriegen.
    So dachte ich, aber dann kam es ganz anders.
    »Ach so«, sagte sie und schaute an sich herunter. »Natürlich, das Kleid. Weißt du, Tim, es ist so   …«
    Als sie »Weißt du, Tim« sagte, kriegte ich wieder butterweiche Knie. Vielleicht brauchte die Nachricht, dass sie einen dämlichen Maikäfer zum Liebsten hatte, einfach ein bisschen länger, |95| bis sie auch unten in meinen Knien angekommen war.
    »Hörst du mir zu, Tim?«, hörte ich sie fragen.
    »Äh   … wie   … ja«, sagte ich. »Ja, klar.«
    Und dann kam die Geschichte. Sie war eigentlich ganz kurz: Die Prinzessin Wilma war auf dem Weg zu einem jungen Prinzen irgendwo im Süden, aber da wollte sie eigentlich gar nicht hin. Sie kannte den Prinzen nicht, und der Prinz kannte sie nicht, nur ihre Väter kannten sich und hatten beschlossen, dass sie einmal heiraten sollten, vielleicht nicht gleich, aber irgendwann später, und damit sie sich schon mal kennenlernten, sollte sie ihn besuchen. Als dann die Raubritter kamen, hatte sie zufällig nicht in ihrer Kutsche gesessen, weil sie kurz vorher ausgestiegen war, um ein paar Blümchen von der Wiese neben der Straße zu pflücken. Genau da seien die Raubritter herangesprengt, erzählte sie, und ihr Liebster habe sie noch zu Boden drücken wollen, aber die Raubritter hätten sie schon entdeckt gehabt. Sie habe schon gedacht, jetzt sei ihr letztes Stündchen gekommen, da hätten die Raubritter gejubelt, weil sie glaubten, sie hätten gefunden, was sie suchten, dabei sei es nur die unglückliche Zofe Sieglinde gewesen, die sich so gern in die Kleiderkutsche |96| der Prinzessin schlich, um heimlich Prinzessinnenkleider anzuprobieren.
    »Weißt du, Tim«, sagte die Prinzessin, »Sieglinde meint das nicht böse, sie ist nur ein bisschen eitel. Und ich leihe mir ja auch
ihre
Kleider aus, wenn ich nicht will, dass die Leute auf der Straße oder auf den Feldern gleich sehen, wer ich bin.   – Jetzt hat mich ihr Kleid gerettet, und
sie
haben die Raubritter mitgenommen, die Arme.«
    Die Prinzessin hatte plötzlich glänzende Augen und sah damit noch schöner aus, wenn das überhaupt ging. Den Maikäfer hätten die Raubritter mitnehmen sollen, dachte ich im

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