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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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überlebt.
    Frauen haben ihn wohl meist begleitet. Als Hagendorfs zweite Frau 1641 ernstlich erkrankt, lässt er sie in Ingolstadt gesundpflegen: »Den 26. Mai habe ich den Stadtmeister wegen meines Weibes angeredet und gebeten, also hat er sie angenommen. Da hat es Geld gebraucht, denn sie ist gewesen wie ein Krüppel. Ist mit zwei Krücken gegangen, 7 Wochen lang. Aber des Henkers Weib hat sie mit Baden in 7 Wochen wieder zurecht gebracht.« Hagendorf hat Glück, denn gesunde Frauen sind entscheidend wichtig für die Hochrisikofamilien des Krieges. Sie helfen dem Söldner beim Überleben. Sie organisieren Lebensmittel, waschen und flicken, versorgen Kinder und Tiere in einer Zeit, in der es keine zentral organisierte Logistik gibt. Auch den Frauen, besonders der Unterschicht, kommen diese Zweckgemeinschaften zugute: Sie entgehen dem Abstieg in Elend oder Prostitution.
    Solche handfesten Erwägungen machen das Söldnerheer zur Nebengesellschaft, in der ähnliche Strukturen herrschen wie in der zivilen Welt. Für die späten Jahre des Krieges schätzen Experten, dass 1000 Soldaten von 500 Frauen und 300 Kindern begleitet wurden. Komplettiert wird dieser familiäre Nachtrab durch eine bunte Gesellschaft aus Wirten und Metzgern, Bäckern und Pferdejungen. Feldschmieden reparieren Waffen, Badestuben und Barbiere sorgen für gewisse Hygiene. Auf dem Lagermarkt kann man die Beute versilbern; beim Würfelspiel verliert man oft seinen letzten Heller. Sogar eine eigene Gerichtsbarkeit hat ein Heerhaufe, bis hin zum Scharfrichter.
    Verwundert notieren calvinistische Pastoren 1622 angesichts eines Trosses der Spanier: »Noch nie hat man einen so langen Schwanz an einem so kleinen Körper gesehen … eine so kleine Armee mit so vielen Karren, Gepäck- und Reitpferden, Marketenderinnen, Lakaien, Frauen und Kindern und hinterdrein einem Pöbelhaufen.« Mit »Pöbelhaufen« ist der irreguläre Tross gemeint, ein Zug von Schnapphähnen, Marodeuren und Invaliden, die im Gefolge des Heeres zu überleben versuchen.
    Die Idee, dass eine Armee sich dort ernähren soll, wo sie marschiert und kämpft, wird angesichts dieser gewaltigen Kriegshaufen illusorisch. Aus der Umgebung ist schlicht nichts zu holen, vor allem dort nicht, wo der Krieg mehrmals dieselben Landstriche heimsucht. Zeitgenossen berichten von einem Dorf in der völlig verheerten Gegend zwischen Frankfurt und Mainz, das innerhalb von zwei Jahren achtzehnmal geplündert worden sei. Eine Armee von 40.000 Mann – so stark waren etwa die schwedisch-sächsischen Truppen vor der Schlacht bei Breitenfeld 1631 – wirkt durch ihre pure Anwesenheit verwüstend: Der Heerwurm vertilgt 800 Zentner Brot, 400 Zentner Fleisch und 120.000 Liter Bier in 2400 Fässern – pro Tag! Mit Vorliebe wählen die Generäle Lagerplätze in der Nähe von Flüssen, da der Nachschub zu Schiff noch am günstigsten ist. 20.000 Pferde und Rinder, Schafe und Ziegen begleiten den Tross; 160 Hektar weiden die Tiere täglich ab.
    Solche Mengen sind den Bauern nicht abzupressen. Die magere Ausbeute erfordert, dass ein Viertel der Getreideernte als Saatgut übrigbleibt. Wird diese Reserve beschlagnahmt, droht im nächsten Jahr Hunger. Bleibt den Bauern nichts mehr, greifen auch sie zur Gewalt. Obwohl den Menschen der frühen Neuzeit Nahrungsmangel und Elend sicherlich geläufig waren, erreichen die Exzesse während des Krieges ein neues Ausmaß.
    Für viele der Untaten sind Landsknechtstruppen verantwortlich. Bereits 1622 heißt es in einer nach dem Söldnerführer Ernst von Mansfeld benannten »Apologie«: »Da schonen sie keiner Person, sie sey wes Standes vnnd Würdens sie wolle. Es ist jhnen kein Ort frey noch zu heilig. Die Kirchen die Altar die Gräber, ja die todte Cörper, seynd vor ihren Dieb vnd Rauberischen Gewaltthaten nicht sicher.«
    Als Peinigungsmittel im kollektiven Gedächtnis geblieben ist der abscheuliche Schwedentrunk. Bei dieser Folter wurde den Opfern eine stinkende Brühe aus Wasser und menschlichen oder tierischen Fäkalien eingetrichtert. Die Jauche verätzte die Speiseröhre; erhöht wurde die Pein noch, indem die Folterer auf dem Leib des Opfers herumtrampelten. Vor allem Bauern, die im Verdacht standen, Vorräte oder Vieh versteckt zu haben, wurden Opfer der Tortur.
    Kein Wunder, dass Landleute sich grausam rächten, wenn sie einmal einen wehrlosen Soldaten erwischten. So erzählt Peter Hagendorf, wie er nach einer durchzechten Nacht büßen musste: »Den 12. Juni [1642] nach

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