Der Dreissigjaehrige Krieg
verbreitet sind in den ersten Jahren 40 Pfund schwere Vorderlader, wie sie schon seit etwa 1500 in Gebrauch sind. Die wuchtigen Waffen werden mit Luntenschlössern oder den aufwendigeren Radschlössern gezündet; abfeuern kann der Soldat sie nur mit Hilfe einer Stützgabel. Oft sind die Donnerbüchsen denkbar schlicht gefertigt; zielen lässt sich sowieso kaum. Auch darum führen die Schweden leichtere Musketen ein, die nur noch zehn Pfund wiegen.
Der enorme Bedarf an Waffen, Helmen und Harnischen, Zubehör wie Pulverhörnern oder Stiefeln lässt eine vorindustrielle Massenfertigung von hoher Qualität entstehen. Allein in Essen werden 1620 fast 15.000 Gewehre hergestellt. Suhl produziert 1632 über 10.000 Büchsenläufe. Zentrum des Waffenhandels ist Nürnberg. In riesigen Zeughäusern lagert alles, was des Kriegers Herz begehrt. Die hohen Stückzahlen sorgen dafür, dass Kaliber und Kugelgewichte ansatzweise standardisiert werden – auf dem Schlachtfeld, wo sich Feuerwaffen mehr und mehr durchsetzen, ist das zuweilen überlebenswichtig. Immer noch kann man überall Piken sehen, die bis zu fünf Meter langen Spieße, einst die Hauptwaffe der Infanterie. Jetzt decken sie die Musketiere während des Nachladens: Schließlich braucht es etwa zwei Minuten und knapp 40 Handgriffe, um wieder feuerbereit zu sein. Deshalb führt bis 1632 gewöhnlich mindestens ein Drittel der Soldaten die Pike.
Nach 1530 hat sich in Spanien eine Kampfformation entwickelt, die katholische Heere auch im Dreißigjährigen Krieg noch beibehalten: der Tercio. Solche Einheiten sind 1000 bis 2000 Mann stark und als marschierendes Quadrat angeordnet. Pikeniere bilden das Zentrum; Schützen postieren sich im Schutz der Spieße an den Flanken, vorn und hinten. In der Mitte stehen Offiziere, Fahnenträger und Musikanten. Solch eine wandelnde Festung kann sich mit 60 Metern in der Minute feuernd vorwärtsbewegen. Es braucht nur einige Veteranen, um sie zu führen; Neulinge stellt man nach hinten. Gegen ein gut ausgebildetes und diszipliniertes »spanisches Viereck« ist selbst die schwere Reiterei machtlos. Aber auch der Tercio ist während des Dreißigjährigen Krieges bald überholt. Nur 60 Prozent seiner Feuerkraft kann er maximal einsetzen; wenn eine 24 Pfund schwere Kugel der feindlichen Artillerie das Menschenkarree durchpflügt, ist das Resultat verheerend.
Der schwedische Herrscher Gustav Adolf reformiert Aufstellung und Taktik grundlegend. Er führt das Feuern von Salven ein, das den Feind demoralisiert. Seine »skvadron« hat nur 556 Männer, ist viel beweglicher, kann sich massieren oder in die Breite ziehen. Solchen Kampfordnungen wird die Zukunft gehören. Schon lange vor dem Dreißigjährigen Krieg hatte es Söldnerheere gegeben. Seit dem Spätmittelalter warben Feudalherren und freie Städte zunehmend Kriegsmänner an; als »Vater der Landsknechte« gilt der Habsburger Kaiser Maximilian I., der Tausende von Söldnern in Dienst stellte und enorme Schulden hinterließ.
Im Dreißigjährigen Krieg entwickeln sich diese bislang vereinzelten Truppen zu berufsmäßigen, dauerhaften Verbänden, häufig von Privatleuten aufgestellt und gemanagt. Schon zu Beginn der Konflikte fehlt den Regierungen oft genug das Geld, um die Heere zu finanzieren. So entsteht die neue Profession des »Militärunternehmers«. Zur Zeit der intensivsten Kampfhandlungen tummeln sich rund 300 dieser gewerblichen Heerführer mit ihren Truppen auf dem Kriegsschauplatz. Das Paradebeispiel liefert Wallenstein, der es schafft, zweimal für Kaiser Ferdinand II. komplette Armeen aus dem Boden zu stampfen.
Wer sich ein Bild von der Lebenswirklichkeit der einfachen Soldaten in diesen Jahrzehnten des Schreckens machen will, hat nicht sehr viel Auswahl. Immerhin gibt es da die »Aufzeichnungen eines Soldaten über seine Erlebnisse während der Jahre 1625 – 1649«, seit 1826 bekannt, 1993 mit hochdeutscher Übersetzung und Kommentar herausgegeben. In das Büchlein notiert der Kriegsmann – Peter Hagendorf hieß er höchstwahrscheinlich – seine Erlebnisse während der 22.400 Kilometer, die er im Laufe der Jahre marschiert. Meist ist er im süddeutschen Raum eingesetzt, aber er zieht auch in den Norden bis Stralsund und über die Alpen bis nach Modena und Padua. Dass ein Landsknecht trotz des ewigen Marschierens und Kämpfens eine Art Familienleben führen konnte, zeigt die Tatsache, dass er zweimal heiratete und neunmal Vater wurde. Nur zwei seiner Kinder haben
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