Der Dreissigjaehrige Krieg
auf dem Hradschin auf. Er traf Botschafter des englischen Königs, in der Hoffnung, doch noch Hilfe zu erhalten. Nach den Gesprächen machte er sich auf den Weg zum Weißen Berg. An den Stadttoren ritt ihm Christian von Anhalt völlig aufgelöst entgegen und erzählte von der Katastrophe. Noch in der Nacht floh Friedrich mit seiner Familie aus der Stadt.
Der Kaiser belegte ihn mit der Reichsacht und enthob ihn seiner Titel. Friedrichs Versuche, aus dem niederländischen Exil heraus seine Kurwürde und seinen Besitz wiederzuerlangen, blieben zum Scheitern verurteilt. Bis 1625 wurden seine Ländereien nach und nach fast vollständig besetzt; bereits im September 1622 fiel Heidelberg in die Hände der katholischen Truppen. Niemand wollte mehr etwas mit dem Winterkönig zu tun haben. Der allerdings ließ sich nicht beirren. Bis zu seinem Tod Ende November 1632 in Mainz war Friedrich V . von der Pfalz sicher, alles richtig gemacht zu haben. Denn allein aus »Ehre und Gewissen« habe er gehandelt, wie ein glaubensfester Mann eben handeln muss.
»WEH DIR, PFALZ!«
Wie wenige Städte musste Heidelberg unter den Kriegswirren leiden. Schuld war auch das Großmachtstreben der Landesherren.
Von Jan Friedmann
Ringsum donnerten die Geschütze; der beschossenen Stadt blieb kaum mehr, als sich zu tarnen. »Die Belägerten haben fast alle Gassen mit Tüchern bezogen, damit man von den Bergen nicht darein sehen könne«, heißt es in einem zeitgenössischen Flugblatt. Doch die Camouflage mit primitivsten Mitteln half nicht. Der katholische Heerführer Johann Tilly ließ Heidelberg zuerst in Brand schießen, dann rückten seine Truppen ein. Es war der 16. September 1622, ein trauriger Tag für die stolze Hauptstadt der Kurpfalz. Denn die kaiserlichen und spanischen Soldaten kannten keine Gnade mit den Verteidigern: »Was sich von der Guarnison nicht in das Schloß salvirt, wurde nieder gehawen«, berichten die Quellen. Und auch die Zivilisten kamen mindestens um ihre Habe: »Die Statt ist den Soldaten nach Kriegsbrauch zu plündern preiß geben worden.« Die Kämpfer bereicherten sich an »Silbergeschirr«, »Bahrschafft« und »Geldt« und machten eine »gute Beuth«.
Es blieb nicht die einzige Verheerung: Heidelberg musste unter dem Dreißigjährigen Krieg wie kaum eine Metropole des Reiches leiden. Bei wechselndem Kriegsglück war die Stadt der jeweiligen Soldateska schutzlos ausgeliefert. Die Pfalz verlor von 1618 bis 1648 drei Viertel ihrer Einwohner. Die Staatskasse war durch Kriegsabgaben, Sondersteuern und Einquartierungen auf Jahrzehnte ruiniert. Hinzu kamen diverse Demütigungen: Die Pfalz wurde zwischenzeitlich Bayern angegliedert und verlor ihr eigenständiges Stimmrecht im Reich. Sogar der akademische Stolz der Universitätsstadt Heidelberg, die Bibliotheca Palatina, die damals wertvollste Sammlung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Schriften nördlich der Alpen, ging verloren: Der siegreiche Herrscher Maximilian I. von Bayern ließ sie in den Vatikan schaffen, um seine katholische Gesinnung zu unterstreichen und dem Kirchenstaat für finanzielle Kriegshilfe zu danken. 196 Kisten mit Handschriften und Büchern wurden über München und Como mit Maultieren nach Rom transportiert.
Schuld am Desaster war auch die Hybris der Regierenden – die hatte in der Pfalz Tradition. Ein Lokalhistoriker nennt sie »das kleine Land mit dem zu hohen Anspruch seiner Landesherren«. Im 17. Jahrhundert war es vor allem der junge pfälzische Kurfürst Friedrich V., der nach Weltgeltung strebte. Er heiratete eine waschechte Prinzessin, Elisabeth Stuart, Tochter des englischen Königs und Enkelin der Maria Stuart. Als Friedrich seine Frau in seine Heimatstadt holte, wurde sie dort mit großen Ehren empfangen. Die Stadt ließ Triumphbögen errichten, das Heidelberger Schloss bekam einen Englischen Bau und ein Elisabethentor. Doch die Liaison hatte weitreichende politische Folgen: Durch seine Eheschließung stieg der Regionalherrscher zu einem wichtigen Führer des protestantischen Lagers auf.
Als Friedrich sich 1619 dazu verleiten ließ, die böhmische Königskrone anzunehmen, soll seine Mutter in böser Vorahnung ausgerufen haben: »Weh dir, Pfalz!« Sie behielt recht, denn ihr Sohn durfte nur eine Saison in Prag herrschen, was ihm den Spottnamen »Winterkönig« einbrachte. Die anderen Fürsten der Protestantischen Union ließen Friedrich im Stich, und so wurde der Pfälzer von seinem katholischen Vetter, dem Wittelsbacher
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