Der dreizehnte Apostel
älteste der Jungen zog ein Messer und drohte, damit die Motorhaube und die Türen zu zerkratzen. Er sah Lucy an, und sie kapierte: entweder Geld oder das. Lucy hupte.
Das erzürnte den älteren Jungen. Der Vierzehnjährige rannte zu den aufgeschichteten, roh behauenen Steinen, die neben der Klostermauer lagen, und kam lächelnd zurück mit zwei Brocken, die fast zu schwer für ihn waren. Diesmal drückte Lucy länger auf die Hupe. Nun fing der größte Junge an, das Auto mit dem Messer zu zerkratzen – ein durchdringendes Geräusch, Metall auf Metall. Er lachte ihr ins Gesicht – siehst du? Sie hätte das verhindern können. »Schekel! Schekel!« Wieder hupte sie …
Oh, oh. Der Älteste versuchte, sein Messer in den schmalen Spalt des Fensters an der Fahrerseite zu zwängen, um es zu öffnen. Außer sich vor Angst drückte Lucy die Hupe.
»He, ihr da!« O’Hanrahan und Rabbi Hersch kamen auf das Auto zu.
Der Junge knurrte etwas und zeigte O’Hanrahan drohend das Messer.
Der Kleinste warf mit einem Stein nach dem Rabbi, der an der Schulter getroffen wurde. Wenn ich eine Waffe hätte, dachte Lucy, würden diese für ihre
Laufbahn als Terroristen trainierenden Halbstarken ihre Lektion bekommen.
(Warst nicht du es, die meinte, Gewehre seien keine adäquate Antwort auf Steinewerfer?)
Sie sind sechzehn, vierzehn, dreizehn Jahre alt, klagte sie innerlich, und man kann schon nicht mehr mit ihnen fertigwerden. Sie sind nur Jungen!
Wir sind drei erwachsene Menschen und haben Angst vor diesen jugendlichen Rabauken. O’Hanrahan ging auf den Jungen mit dem Messer zu. Er sprach Arabisch, was den kleinen Araber ein wenig zu besänftigen schien. O’Hanrahan erklärte wohl, stellte Lucy sich vor, daß die Eltern und die ganze Familie in große Schwierigkeiten kämen, wenn die israelische Armee informiert werde. Warum machten sie sich nicht einfach aus dem Staub?
Der Rabbi hastete auf die Fahrertür zu. Der Kleine warf wieder einen Stein nach seinem Kopf, aber der Rabbi duckte sich und der Stein polterte aufs Dach.
Wumm! Lucy schrak bei dem lauten Krachen auf ihrer Seite zusammen – einer der vier schlug mit einem der großen Mauersteine gegen das Fenster und schrie ihr gellende Flüche ins Gesicht. Der Rabbi sprang ins Auto und verriegelte sofort wieder die Tür.
»Alles in Ordnung, kleines Mädchen?« fragte er merkwürdig gelassen.
»Ja. Sind Sie getroffen worden?«
»Ein Sandy Koufax ist der Kleine nicht gerade.«
Der Rabbi klopfte ans Fenster, um O’Hanrahan auf sich aufmerksam zu machen. Der ältere Junge war unsicher, was er tun sollte. O’Hanrahan eilte an die rechte hintere Tür, der Rabbi öffnete, der Professor sprang ins Auto und klemmte einem der Jungen fast den Finger ein, als er die Tür zuschlug, was den Zorn der vier noch steigerte. Zwei fingen nun an, mit den großen Steinen auf die Windschutzscheibe einzuhämmern. Auf Lucys Seite waren schon große Sprünge im Glas.
»Na, jetzt zufrieden mit deinen kleinen verfolgten Palästinenserengeln?« fragte der Rabbi.
»Würdest du vielleicht losfahren und uns hier rausbringen!« brüllte O’Hanrahan.
Rabbi Hersch ließ den Wagen an. Sofort kletterte der Kleine auf den Kofferraum. Als der Rabbi beschleunigte, wurde der Junge auf die steinige Straße geschleudert. Lucy sah, wie der Ältere über diese Bauchlandung lachte, und dachte stumpf: Sie sind sogar untereinander grausam. Auf der anderen Seite war der Vierzehnjährige, der den schweren Felsbrocken hochhob; Lucy begegnete seinem Blick und sah Hass , reinen, blinden Hass . Der Stein zersplitterte das Glas, aber es zerbrach nicht. Der ältere Junge mit dem Messer rannte dem Auto nach. »Er wird die Reifen zerstechen!« rief O’Hanrahan.
»Der kleine Bastard wird gar nichts tun«, erwiderte der Rabbi und wendete den Wagen scharf, aber schon stand ein anderer der vier Jungen vor ihm auf der Straße. »Fordere mich nicht heraus, dich zu überfahren, ich tu’s!« fluchte der Rabbi. Aber er bremste.
In der Zwischenzeit klammerte sich der Kleinere, der vom Kofferraum auf die Straße geflogen war, an den Türgriff auf Lucys Seite und ließ nicht mehr los. Der Rabbi beschleunigte wieder und fuhr den Hügel hinauf, und der Junge, der auf der Straße stand, wich hastig aus. »Er lässt immer noch nicht los«, sagte Lucy atemlos.
»Wenn ich schnell genug fahre, wird er loslassen müssen.« Sie schleiften ihn mit. Der reine Wille ließ ihn neben ihnen herrennen, dann ließ er sich über die Steine
Weitere Kostenlose Bücher