Der dreizehnte Apostel
wenn wir sie in Schwierigkeiten bringen, wird es für die nächste Gruppe, die nach Mar Saba will, noch schlimmer sein …«
»Ich hoffe, die Soldaten werden diese Burschen ordentlich durchprügeln, das wird ihnen eine Lehre sein.«
Am Checkpoint beschrieb der Rabbi dann auch detailliert die vier Rowdys. Kleidung, Alter – er hatte sie kaltblütig gemustert, um Bericht über sie erstatten zu können. Aber die Soldatin, eine junge, diensteifrige Frau ohne jede Verbindlichkeit, reagierte schroff. »Was haben Sie hier gemacht, Rebbe?«
»Ich wollte zur Klosterbibliothek von Mar Saba, zusammen mit meinem Kollegen, Patrick O’Hanrahan, und seiner Assistentin, Lucy Dantan.«
Kurz angebunden fragte die Soldatin weiter: »Aber Frauen dürfen nicht ins Kloster Mar Saba.«
»Richtig«, erwiderte der Rabbi gezwungen höflich, »das wissen wir, aber wir dachten, sie würde das Kloster zumindest gern von außen sehen.«
Die Soldatin starrte sie ausdruckslos an. »Würden Sie bitte aussteigen. Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»O Junge«, murmelte O’Hanrahan. »Jetzt kommt der dritte Grad.«
»So schlimm wird es wohl nicht sein«, beschwichtigte der Rabbi, während er den Wagen zu dem bezeichneten Parkplatz fuhr. Er würde den israelischen Sicherheitsdienst nicht kritisieren, denn er war der beste der Welt. Sicher, er konnte einem gewaltig auf
den Wecker gehen, aber hier flogen keine Flugzeuge oder Läden in die Luft wie in Nordirland.
»Wo sind wir?« fragte Lucy, bevor sie ausstieg.
»In Beit Shair.«
(Im Sommer 1989 beschlossen die Bürger von Beit Shahur, in der Mehrzahl arabische Christen, eine passive Widerstandskampagne. Warum sollten sie Steuern an Israel zahlen, wo sie als Bürger zweiter Klasse behandelt wurden, wo man ihre Rechte nicht anerkannte und wo das Geld dafür verwendet wurde, auf Palästinenser zu schießen. Es war eine friedliche, gewaltfreie Aktion, und ihr Manifest war höchst vernünftig. Ein internationales Team von Journalisten und Friedenskämpfern kam zusammen. Alle wurden verhaftet. Häuser und Wohnungen von Palästinensern wurden von israelischen Soldaten geplündert, Wertsachen wurden zerstört, persönliche Gegenstände verbrannt, Fernseher eingetreten – dahinter steckte der Gedanke, daß der Schaden in etwa den zurückbehaltenen Steuergeldern gleichkommen sollte. Als die multikonfessionellen Friedensgruppen protestierten, wurden sie ebenfalls verhaftet. Das war im November 1989, eine Woche, nachdem die israelische Armee in die UN-Botschaft eingebrochen war und Dokumente geraubt hatte – eine weitere Liste von palästinensischen Störenfrieden, gegen die man hart durchgreifen konnte.)
O’Hanrahans Gelenke fingen an zu pochen, die typischen Schmerzen bei Durchblutungsstörungen. Er suchte in der Jackentasche nach seinem Percodan. Bei der ersten Gelegenheit würde er eine Tablette nehmen. Er suchte in der Jackentasche nach seinem Pass . »Gute Neuigkeiten«, brummte er dann. »Ich habe meine Brieftasche, meinen Genehmigungsschein für das Kloster und einen Ausweis, aber mein Pass ist in der anderen Jacke im Hotel.«
Dieses Versehen kostete sechzig Minuten, in denen sie überprüft und wieder überprüft wurden – alles ganz freundlich, ganz rational und verständlich, aber doch belastend und zudringlich. Lucys Pass war in Ordnung, sie wurde nach einer kurzen Befragung entlassen. Sie verließ das kleine Amtsgebäude – früher ein Wohnhaus, das die Armee angeblicher Verbrechen wegen requiriert hatte – und erhaschte durch ein Fenster einen flüchtigen Blick auf den alt wirkenden O’Hanrahan, der eine Reihe von Fragen beantwortete. Was waren seine politischen Überzeugungen? Die gekritzelte Telefonnummer in seiner Brieftasche – wer war das? Ein Antiquitätenhändler, ein Araber in Ostjerusalem. Diese verdächtige Tatsache eröffnete neue Möglichkeiten: Antiquitäten schmuggel oder Verbindungen zu Ostjerusalemer Terroristen. Eine weitere halbe Stunde verging.
Lucy spazierte hinaus auf die Straße, in der die staubige Spätnachmittagshitze flimmerte. Auf der gegenüberliegenden Seite hatte ein Palästinenser einen Obststand. Hier, kaum hundert Meter entfernt von der Polizeistation, würde man sie wohl nicht schlecht behandeln, dachte Lucy. Sie ging hinüber und fragte nach dem Preis; ein Kilo Trauben kostete einen Schekel. Gar nicht teuer.
»Sie Amerikanerin?« fragte der zahnlos lächelnde palästinensische Großvater, dem der Stand gehörte.
»Ja.«
»Ah!
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