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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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mich als Yassir Arafat verkleiden?«
    »Es ist die West Bank, Morey, nur das habe ich gemeint …«
    »Ich soll im Land der Juden nicht aussehen wie ein Jude? Immerhin ist das mein Land.«
    O’Hanrahan setzte sich auf den Beifahrersitz, Lucy stieg hinten ein. »Versuch den Arabern an der Straße nach Mar Saba zu erklären, daß das dein Land ist«, knurrte O’Hanrahan.
    Der Rabbi stieg ein und startete den Wagen. »Der Tag, an dem ich das in Jerusalem abnehmen muss , ist ein Tag, den ich, wenn es Gottes Wille ist, nie erleben werde.«
    O’Hanrahan konnte es nicht ausstehen, wenn sein Freund Mordechai diese Platte auflegte und den Apologeten des Zionismus spielte. An den meisten Tagen vertrat der Rabbi eine ausgewogene Sichtweise aller arabisch-jüdischen Themen, aber heute war irgendwie kein normaler Tag, und es war O’Hanrahans Fehler, vom Leder zu ziehen. Doch er konnte sich nicht beherrschen, weil er dachte, der Rabbi habe ihn verraten und Pater Beaufoix engagiert.
    »Willst du vielleicht, daß ich eine galabbiya trage?« fragte Rabbi Hersch humorlos.
    »Warum denn an diesem Punkt aufhören, Morey?« konterte O’Hanrahan und trieb das Thema auf die Spitze. »Warum stattest du das Auto nicht mit ziziths aus, malst den Davidstern an die Türen und wickelst Gebetsriemen um den Auspuff? Wir könnten eine große Zielscheibe für die Steine auf die Windschutzscheibe malen.«
    »Ich lasse mich von diesem Pöbel nicht einschüchtern«, erwiderte der Rabbi ruhig. »Diese steinewer fenden Hooligans werden niedergeschlagen werden, das versichere ich dir.« Ja, auch wenn euer Land jeden Teenager in den besetzten Gebieten erschießen muss , dachte Lucy bitter.
    Sie fuhren schweigend weiter, und jeder der drei wünschte, es böte sich ein Vorwand, um umkehren und eigene Wege gehen zu können. Kurz vor Bethlehem kamen sie an einem Flüchtlingslager vorbei. Lucy hatte solche Lager in den Fernsehnachrichten gesehen, aber sie in der Realität vor sich zu haben, hinter einem zwei Stockwerke hohen Zaun, nur ein paar Meter vom Autofenster entfernt, war etwas anderes: offene Kloaken, schlammige Wege, Kinder, die in diesem Gemisch aus Schlamm und Fäkalien spielten, Fliegen und Abfall, der Ausdruck von Elend auf den Gesichtern der Frauen, die Wasser in Krügen schleppten. Drei zerlumpte Kinder pressten die Gesichter an den Metallzaun und spuckten empört auf vorbeifahrende Autos, obwohl keine Hoffnung be stand, daß sie ihre Zielscheiben trafen.
    »Das ist ein Flüchtlingslager, wie?« fragte Lucy, nicht ganz ohne Hintergedanken. Sie wollte, daß Rabbi Hersch die menschliche Tragödie in den von seinem Land besetzten Gebieten eingestand.
    »Es gibt genügend Platz in der islamischen Welt, wo sie hingehen können«, erwiderte er. »Von Marokko bis Indien, 800 Millionen Muslime. Nein, niemand will sie haben, keiner von ihren lieben arabischen Brüdern.«
    Lucy wusste , daß sie die Unterhaltung weiter anheizen würde, wenn sie fragte, ob man palästinensische Frauen und Kinder hierher verfrachtet habe, als die israelische Armee Stadtviertel gesprengt, Häuser platt gewalzt und Häuserblocks zerstört hatte, weil es Gerüchte über regierungsfeindliche Umtriebe gegeben hatte. 1967, nach dem Krieg, hatten die Israelis die Häuser von etwa 4000 Palästinensern zwangsge räumt und zerstört, um die Stadt zu »stabilisieren«. Wie sollte es bei solchem Vorgehen noch ein Haus im arabischen Palästina geben, in dem nicht so viel Hass empfunden wurde, daß man es ebenfalls niederreißen musste ? Der Rabbi vermied Beit Shair am Stadtrand von Bethlehem und fuhr auf die einspurige, kurvige Straße durch die unfruchtbaren, felsigen Hügel, die zu den Gebirgsschluchten führte, wo das Kloster Mar Saba lag. Wo Schäfer in der Nacht über ihre Herden wachten, fiel es Lucy ein, als sie auf die karge Vegetation außerhalb von Davids königlicher Stadt sah. Das größte der armseligen kleinen Dörfer auf dem Bergkamm, über den die Straße führte, kam in Sicht. Ganz junge Mädchen, vermutete Lucy, mussten nicht verschleiert gehen, aber die jungen palästinensischen Frauen bedeckten ihr Gesicht mit dem Schleier, wenn das Auto mit den Fremden vorbeifuhr. Am Dorfeingang spielten schmutzige, kräftige Jungen, die Hände voller Schmutz in die Luft warfen und dann lachend der zurückkommenden Staubwolke auswichen. Als sie das Auto erblickten, rannten sie an den Straßenrand und hoben Steine auf.
    »Reizende kleine Burschen«, murmelte der Rabbi, als ein

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