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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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Khartums, der bald vor der Motorhaube des Lastwagens auftauchen würde. »Gibt es in Khartum all diese ausgefallenen Whisky-Sorten?«
    »In dieser früheren Bastion des englischen Kolonialreiches? In Khartum gibt es Herrenclubs aus dem 19. Jahrhundert, meine Liebe – obwohl man Sie da natürlich nicht hineinlässt .«
    »Was wird das Hilton kosten? 100 Dollar pro Nacht?« O’Hanrahan antwortete wie in Trance. »Wen schert es, wenn es 500 Dollar pro Nacht kostet? Wieder einmal mit der westlichen Welt in Berührung zu kommen, und wenn es nur für einen Augenblick ist, ist alles wert. Alles!«
    Noch fünfzig Meilen bis Khartum. »Ich würde mich auf Khartums Hauptstraße als Sexsklavin verkaufen, um ein Eis mit Schokoladensoße zu bekommen, alle Sorten Schokoladensoße …« Rostige Schilder, wahrscheinlich im letzten Jahrhundert von den Briten aufgestellt, kündigten an, daß in zehn Meilen Omdurman kommen werde: eine geschäftige, schmutzige Stadt an der Mündung des weißen und des blauen Nils, ein eigenständiger Ort, obwohl alles in diesem Tal als Vorort von Khartum galt. Der Fahrer deutete auf eine beigefarbene Moschee mit einer metallisch schimmernden Kuppel, die an einen auf dem Kopf stehenden Cocktailshaker erinnerte: die Heimstatt der tanzenden Derwische. Der Fahrer, übersetzt von O’Hanrahan, erzählte, wie lustig es sei, die ungeübten Novizen zu beobachten, die
    so lange immer rundum liefen, bis sie schwindlig zusammenbrachen und würgten und sich übergaben. Während der Fahrer das erzählte, lachte und lachte er … Lucy fand die Vorstellung, so lange im Kreis zu rennen, bis man einen außerweltlichen Trancezustand erreichte, fremd und beängstigend.
    (Dein Land, mein Kind, wurde errichtet von Quäkern, Stampers, Ranters und Shakers – lauter Sekten, die tanzen, was das Zeug hält.)
    Die Kuppel, an der sie vorbeikamen, war das Grab al-Mahdis, erklärte O’Hanrahan, der Ayatollah Khomeini seiner Zeit, eine messianische Gestalt, die sich zum Dschihad mit dem Westen erhob. Nach 1870 hat ten die Briten den Sudan mit Hilfe von Söldnertrup pen ihrem Kolonialreich einverleibt; sie hofften, daß Ostafrika, als Ausgleich zum französischen Westen, vom Suez bis zum Nil und von Kenia bis Johannesburg fest in britischer Hand sein werde. Sie hätten das Ziel auch fast erreicht, wenn nicht so viele christliche Missionare ins Land geströmt wären, um die heidnischen Moslems zu bekehren. Der islamische Sudan erhob sich. Der Gouverneur des Sudan, General Gordon, wurde umgebracht. Der Held der Sudanesen, der Mahdi und sein Nachfolger Abdullah ibn-Sejjid kämpften gegen die Ägypter und die Ottomanen, die Italiener, Belgier, Äthiopier und das Sultanat von Dafur. Die Briten, bis zum Kragenrand voll gekränkter Würde ob der Schmach ihrer Queen Victoria, marschierten unter Kitchener nilaufwärts, machten kurzen Prozess mit den Mahdis und zerstörten den Schrein des Mahdi, an dem sich schon zu viele Wunder und Heilungen ereignet hatten.
    Jetzt überquerte der Lastwagen wieder den Nil – Lucy hatte seinen Anblick tatsächlich schon vermisst ! Kinder schwammen am Ufer, nackt und ungehindert. Lucy hätte sich ihnen am liebsten angeschlossen. Dann endlich das Hilton. Nachdem sie ihrem Fahrer gedankt und ungeduldig die Segenswünsche zum Abschied angehört hatten, nahm O’Hanrahan seinen Koffer und die Aktenmappe mit dem Evangelium; Lucy packte ihre Tasche und ihren Koffer, und eilig, fast im Laufschritt, hasteten sie durch die klimatisierte Eingangshalle. »Zwei Zimmer, bitte«, sagte O’Hanrahan und stellte fest, daß er Sand in der Brieftasche hatte. Er zog seine MasterCard und seinen Ausweis heraus. »Vielleicht bestelle ich mir einfach alles beim Zimmerservice«, meinte Lucy.
    »Ich glaube nicht, daß ich mich ins Restaurant setzen kann. Ich glaube nicht, daß ich jemals wieder sitzen kann. Ich will meinen Hintern in einer Badewanne einweichen.«
    Der Empfangschef fragte in perfektem Englisch mit britischem Akzent nach O’Hanrahans Kreditkarte. Lucy erbleichte verlegen, als ihr klar wurde, daß der Mann ihren Kommentar über ihren Hintern verstanden hatte.
    »Die Bestätigung wird eine Minute dauern, Mr. O’Hanrahan«, sagte der pechschwarze sudanesische Empfangschef, der einen tadellosen weißen Anzug trug. Um Ruhe und Ordnung zu gewährleisten, stand in der Nähe ein muskulöser Soldat, der die westlichen Gäste ebenfalls interessiert betrachtete.
    Lucy musterte eine Speisekarte mit Farbfotos, die die

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