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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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International Herald Tribune zu. Er blätterte sie durch, ohne auf die Schlagzeilen zu achten.
    »Sind wir schon im Krieg?«
    »Ich wette, Ihre Eltern haben eine Stinkwut«, stellte er sich vor.
    »Glücklicherweise habe ich im Fachbereich angerufen und die Sekretärin gebeten, bei meinen Eltern anzurufen. Ich sage ihnen nicht, daß ich in Afrika bin; sollen sie denken, ich bin noch in Jerusalem. Meine Mom fand Italien schon zu gefährlich.«
    O’Hanrahan antwortete nicht, da er gefunden hatte, was er suchte. »Ja. Ja, da ist es …«
    Eine überschwängliche , verehrungsvolle Besprechung von Philip Beaufoix’ letztem Werk – Der stumme Partner: Ägyptens Beitrag zur Herausbildung des Christentums … und hier war ein Foto von dem Mistkerl, in einer gebügelten schwarzen Mönchskutte, schlau lächelnd. Seit wann trägt ein Dominikaner Schwarz? fragte sich O’Hanrahan. »Ich wette, man hat dieses Bild mit einer Spritzpistole von der Größe einer Douglastanne retuschiert«, brummte er. Und welcher Reklamefritze, welcher Handlanger, hatte diese Lobhudelei ausgehustet? O’Hanrahan stöhnte, als er den Namen sah. Die Rezension war von Schwester Marie-Berthe Comeaux geschrieben, speziell für die Herald Tribune. »Sehen Sie?« fauchte er. »Die Ako luthen halten alle zusammen.«
    Lucy suchte nach etwas Positivem. »Ja, und sie werden von Ihnen schwärmen, wenn Sie Ihr Buch über das Matthäusevangelium veröffentlichen. Mit einer Fußnote«, witzelte sie und hoffte, daß es ein Witz war, »von Lucy Dantan.«
    »Vielleicht lasse ich Sie die Tüpfelchen auf die i machen.« Mühsam versuchte er, sich aufzusetzen, weil er etwas tun wollte. Als er es geschafft hatte, war ihm schwindelig, und er ließ sich zurück aufs Kissen fallen.
    »Sie gehen heute nirgendwo hin«, sagte sie mütterlich. »Sie sollten heute ganz einfach im Bett bleiben und krankfeiern.«
    »Ich werde wirklich krank, wenn ich mehr von dem Zeug esse …« Müde deutete er auf den Teller mit zabadi, einem mild gewürzten Joghurtgericht, das ihm die Frau des Besitzers als Allheilmittel gebracht hatte. Lucy betrachtete den stark riechenden, öligen Brei. Sie sann über ein paar der unhygienischen Mahlzeiten nach, die sie in den ägyptisch-orthodoxen Klöstern in der Nähe von Kairo gegessen hatten – Ziegenkäse aus unpasteurisierter Milch, hartes Brot, von dem man die kleinen Wanzen schüttelte, Sirup und wilde Zwiebelröhrchen als Gewürz. Und das gegrillte Fleisch in Degoma, das sie aus Höflichkeit nicht ablehnen konnten. »Sie wären eine gute Krankenschwester«, sagte O’Hanrahan ruhig.
    »Als kleines Mädchen wollte ich immer eine werden«, erzählte sie. »Wenn ich in einem so armen Land bin wie hier, habe ich das Bedürfnis, wissen Sie, etwas für die Leute zu tun.«
    »Ja, richtig«, lachte O’Hanrahan leise. »Die alte Nonnennummer. Sie haben mir in Irland gesagt, daß Sie einmal Nonne werden wollten.«
    »Und Sie haben mir gesagt, das solle ich nicht tun.« O’Hanrahan widerrief. »Ich war nur im Augenblick nicht interessiert. Wenn es Sie reizt, tun Sie es. Zur Hölle, in gewisser Weise wünschte ich, ich wäre Jesuit geblieben. Manche Leute sind nicht für diesen Va-ter-weiß-es-am-besten-Job geschaffen, diesen ganzen Familienscheiß. Im Mittelalter wusste man das und sorgte für Leute wie uns, für Leute, die sich danach sehnten, zu studieren oder etwas Bedeutungsvolleres zu tun, als ein Kaufmann zu sein oder die Kühe zu melken.«
    Lucy fing an zu phantasieren. Machst du dir das klar, sagte sie zu sich selbst, das ist das erste mal in meinem Leben, daß jemand, den ich respektiere, sich für meinen Kindheitsplan, eine Nonne zu werden, einsetzt? War irgendjemandem bewusst , wie viele Jahre der Lächerlichkeit und der Missbilligung das automatisch bedeutete – und hier war ihr Idol, Patrick O’Hanrahan, und sagte: Tun Sie’s, Schwester Lucy. Doch dann sank ihr Mut. Sie hatte es vergessen. Sie war wahrscheinlich schwanger.
    »Ich wollte auch Gutes in meinem Leben tun, als ich in Ihrem Alter war«, erzählte O’Hanrahan weitschweifig. »Damals in meiner Generation gab es kein
    Friedenscorps. Ich bin als Kaplan in den Koreakrieg gegangen – habe ich Ihnen das je erzählt?«
    »Ja.«
    Er klopfte auf die Herald Tribune neben ihm. »Lesen Sie mir etwas vor!« Nachdem die Herald Tribune nichts mehr hergab, plädierte Lucy für ein Pamphlet über koptische Heilige, das sie in Kairo erstanden hatte. Sie dachte, das werde O’Hanrahan

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