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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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tiefer dringen. »Soso. Ich habe keinen Zweifel, daß er auf Sie aufpasst , aber ich glaube nicht, daß er mich besonders gern hat.«
    (Wir passen auf dich auf, Patrick. Wir haben dir Lucy geschickt, oder nicht?)
    18.-19. August 1990
    Nach dem schwülen, bunten Markt in Dongola ging die Fahrt im Lastwagen weiter, über eine Straße, die noch unebener und holpriger war als die am Tag zuvor. Lucy, die zwischen Mohammed und O’Hanrahan saß, versuchte, nach einer elenden, mos kitogeplagten Nacht etwas Schlaf nachzuholen, und döste immer wieder ein, staubig und verschwitzt. Nach der Tortur mit den Moskitos träumte sie, daß Skorpione über ihren Körper krabbelten, und wenn sie nur der leiseste Lufthauch streifte, wachte sie erschrocken auf und schlug panisch um sich. Mittags bot sich derselbe Anblick wie um neun Uhr früh, um drei Uhr sah es um sie herum genauso aus wie mittags – nichts als Wüste und Schlaglöcher. Und die Körperteile, die nach der gestrigen Fahrt schon wund und empfindlich gewesen waren, schmerzten nun beinahe unerträglich. Aber da war nichts zu machen.
    Als Krönung des Tages hatten sie mitten in der Hitze eine Reifenpanne, und Mohammed parkte den Lastwagen auf einer ebenen Stelle am Ufer des Nils, auf dem einige Feluken auf Fischfang unterwegs waren. Von einem Boot sprang ein Junge ins Wasser, schwamm zu ihnen herüber und rannte den Weg herauf, um behilflich zu sein, aber eigentlich stand er nur im Weg. Lucy und O’Hanrahan hatten sich mittlerweile in den Schatten des Fahrzeugs zurückgezogen und lehnten an einem staubigen Reifen, während auf der Ladefläche die Hühner gackerten. »Ich dachte, Sie hätten in Assuan gesagt, daß es hier in der Wüste keine Moskitos gebe«, beklagte sich Lucy und kratzte an den Stichen der letzten Nacht.
    »Natürlich gibt es hier Moskitos. Sie haben sich in die Angst hineingesteigert, daß Sie Malaria bekommen könnten, deswegen habe ich Sie beruhigt, damit Sie schlafen konnten. Heute bin ich weniger barmherzig. Die Malariatabletten, die Sie nehmen, decken nur bestimmte Arten von Malaria ab, und wenn Sie eine chloraquinresistente Form der Malaria bekommen, müssen Sie das Mittel nehmen, das ich in der Tasche habe – und das hat die mögliche Nebenwirkung, daß Ihnen das Herz stehenbleibt.«
    »Tod ist auch eine Art Nebenwirkung.« »Aber ich möchte keine Zeit damit vergeuden, Sie deswegen zu beunruhigen – hier, wo es Cholera, Beulenpest, Gelbfieber, Typhus, Kinderlähmung und Tollwut gibt, ganz zu schweigen von Hungersnöten, Dürreperioden, Erdbeben, Überschwemmungen und
    einem der längsten Bürgerkriege auf diesem Plane-ten.«
    Mohammed hatte den Jungen vom Fluss endlich verscheucht, und der kam nun zu Lucy und O’Hanrahan. Er lächelte sie an, und sie lächelten zurück, und er bat um etwas, aber es war deutlich, daß er nicht eigentlich bettelte. »Er will einen Kugelschreiber«, erklärte O’Hanrahan. »Immer nehme ich mir vor, eine Schachtel voll billiger Bics mitzunehmen, wenn ich in diesen Teil der Welt komme. Hier sind das anscheinend wirkliche Wertgegenstände.«
    Lucy wühlte in ihrer Handtasche, die mittlerweile so schmutzig war wie ein benutzter Staubsaugerbeu tel , und holte ihr Parfüm heraus. »Komm her«, winkte sie.
    Der Junge streckte ihr den Arm hin, fasziniert, daß jemand mit so weißer Haut ihn berühren wollte. Lucy rieb ihm ein wenig Parfüm auf die Handgelenke und hielt ihm die Hand dann an die Nase, daß er es riechen konnte. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus – ein einfaches Glück. Hier, wo es nichts gibt, dachte sie, besteht die Währung der zwischenmenschlichen Beziehungen in einem kleinen Geschenk, einem edlen Wettstreit unter Fremden, wer dem anderen mehr gute Wünsche mitgibt, einem Glas Tee, einer geteilten Zigarette, und alles mit viel Lächeln und Segenssprüchen verbunden, so wie es im Westen schon seit langer Zeit nicht mehr üblich ist.
    Der Junge sprang zurück zum Boot, wo sein Vater und seine Freunde geduldig warteten – hier gibt es nicht die kleinste Spur des westlichen Arbeitsethos, dachte Lucy. Dann kam der Junge mit einer Kürbisflasche zurück.
    »Oh, oh«, grinste O’Hanrahan. »Er bringt uns Wasser. Diese Leute essen Band-und andere Würmer zum Frühstück.« Der Junge hielt Lucy die Kürbisflasche freudig hin. »Tun Sie so, als würden Sie trinken«, sagte O’Hanrahan und lächelte den Jungen dankbar an.
    Lucy tropfte sich ein wenig voll, als sie vorgab zu trinken,

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