Der dreizehnte Apostel
Knaben besser gewesen, wenn er mich nie zu Gesicht gekriegt hätte! Oder ist das nicht doch ein bisschen zu stark, da er ja schließlich mit dem Leben davongekommen ist und sich wohl befindet? Immerhin: Welches Opfer hat mir doch dieser Jüngling gebracht! Aber davon mehr, wenn meine epische Erzählung bis zu diesem Punkte fortgeschritten sein wird.
Rückblickend finde ich es nicht weiter verwunderlich, daß der arme Xenon mit dem Meister und Seinen Lehren so wenig anfangen konnte, denn das südliche Judäa mit dem idumäischen oder edomitischen Makel war von den verderblichsten Häresien erfüllt. Auf die Gefahr hin, manches zu wiederholen, das ich in meiner umfassenden Widerlegung aller Häresien bereits abgehandelt habe, werde ich doch etliche von den verdammungswürdigen Bewegungen beschreiben, die zwischen Jerusalem und Eleuph grassieren.
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Zunächst sind da die Kinder Adams, die jedem An-stand hohnsprechen mit ihrer ekelhaften Nacktkultur. In welcher ihrer Kommunen gibt es nicht haufenweise ledige Mütter?
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Eine ganz besonders ungeheuerliche Sekte von Häretikern, die schon oft totgesagt wurde, aber jedesmal nur umso kräftiger wieder auferstanden ist, sind die Ophiten, die zwischen Jamnia in Sama ria und dem elenden Ekron ihr Unwesen treiben. Diese Sekte nahm den Meister bei dem guten Wort, das Er einst für jene Schlange einlegte, die Petrus in der Nähe des Hauses zu Bethanien töten wollte34 Der Meister wollte keinem Lebewesen übel. Auf Grund dieses unschuldigen Zwischenfalls gedenken also diese Ophiten darin des Meisters, zunächst indem sie um Giftschlangen einen großen Bogen machen, doch es dauert nicht lange, bis sie sich ungefährliche verschaffen und die Schlange zum Mittelpunkt ihrer Andacht wird. Auf Zypern, Kreta, Clauda und der Kyrenaika35 – wo jedes schmutzige Ding erhoben und angebetet wird – schleichen sich die alten heidnischen Riten wieder ein, wie immer begünstigt und gefördert von leichtgläubigen Weibern.
Kretische Frauen von kolossaler Gestalt, wahre Mino taurinnen, entkleiden sich und schmieren sich mit balsamischen Ölen ein, desgleichen die Schlange, die ihren Weg in schauerliche Leibesöffnungen findet, währenddessen die Frauen – von Gott penetriert – in Krämpfe und Ekstasen verfallen, all das aber habe ich schon in meiner Widerlegung aller Häresien hinreichend gegeißelt, so daß eine Fortsetzung dieser Aufzählung verdammenswürdiger Greuel sich hier erübrigt. Aber die Schlangen können ei nem leid tun.
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Und überall, selbst in Jerusalem, sind die Heliogene sier , die versuchen, das Leben des Herrn der Fabel von Mi thras anzugleichen. Zum Beispiel erklären sie die schreckliche Finsternis und den Sturm am Tage der Hinrichtung des Lehrers mit der Verdunkelung der Sonne selbst, mit welcher der Meister irgendwie gleicher Natur sei. Es ist schon ärgerlich genug, daß Mithras nach drei Tagen von den Toten auferstanden sein soll, ebenso wie das die Nazaräer vom Meister behaupten36
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Im Vorübergehen will ich hier noch eine Häresie erwähnen, die kraft des römischen Einflusses in unserer Welt um sich greift, insbesondere zu Askalon im Philisterland, wo man keine Treue gegenüber dem Guten mehr kennt: Juden und Nazaräer schämen sich dort nicht, die abscheulichen Riten zu Ehren des Attis zu praktizieren. Da der Erlöser an einem Holze starb, in der Blüte Seiner Jahre, glauben die Verehrer des Attis, dieser Dämon sei in der Gestalt des Erlösers wiedergekehrt.37 Nach außen hin gehorchen diese Leute den Geboten der Orthodoxie, doch betritt man ihre Häuser, findet man dort immer in einer Ecke eine fünf oder sechs Ellen hohe, geschmückte Fichte mit reichen Opfergaben unter den Zweigen und brennenden Kerzen ringsum. Wie lange, o Herr, werden diese bösartigen Überlebsel uns noch anhängen?
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Aber weiter und zu der bisher schlimmsten Häresie! Xenon und ich durchquerten Beerseba, jenseits welchen Orts die Einöden und räu berischen Überfälle der Wüste winkten. Bald fanden wir dort einen Zug von Kaufleuten, die mit einer römischen Militäreskorte nach Eleuph unterwegs waren, um dort für den römischen Markt bestimmte Spezereien zu kaufen. Die Eskorte war für die Sicherheit der Reisenden höchst erforderlich, da sich in jener Zeit die Überfälle häuften. In den Wüsten, welche man auf dem Weg nach Eleuph durchquert, trieben vor allem die Ke lephäer ihr gefährliches Unwesen.
Die Kelephäer sind von allen Sekten, die
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