Der dreizehnte Apostel
meine Hände und drückte mir seine Tränen in die Hand, strich dann seine Tränen über meine Füße und wollte endlich seine Tränen mit meinen mischen
– Tränen von meinen Augen, die den Meister gesehen haben, mit seinen Tränen –, er, der Ihn niemals sah. Dieses Weinen und Spektakel dauerte mehrere Minuten lang.
16.
Mein eigenes Wirken auf dem Felde der nazaräischen Mission verbreitete freilich um meine Person – die Wahrheit zu sagen – eine Aura von Pleite.24
Ich ward verhöhnt, aus den Dörfern getrieben und wäre einst in Hebron fast gesteinigt worden, weil wir nicht mit einem Wunder aufwarten konnten wie irgendwelche Wo chenmarktsmagier . Ein Mazedonier namens Epaphrodius, der mir mit seinem Gewinsel und Gestichel monatelang zugesetzt hatte, war mein Gehilfe. Er schwärzte mich denn auch gleich bei Simon an und sagte, meine Predigten seien den Samaritern zu hoch gewesen, was doch wirklich nicht meine Schuld war, denn wer kann sich auf das Niveau der kuthim25 hinabbegeben? Ich bat Simon, mich von zukünftiger Missionstätigkeit zu befreien und mir zu gestatten, mich nach Alexandrien zu begeben, wo ich besser hinpasste und eher imstande sein würde, zu evangelisieren und zu lehren. Worauf er mir erwiderte:
»Mein höchst gesegneter Presbyter, es steht uns nicht frei hinzugehen, wo wir hinpassen und es uns behagen mag. Du kannst niemals wissen, was der Herr für dich tun kann, ehe du dich nicht um Seinetwillen in eine schwierige Lage begeben hast.«
17.
Ich erklärte diesem Naseweis, daß ich nicht sähe, wieviel Schwierigkeiten auszustehen der Herr und Meister des Universums mir noch zumuten könnte nach dem Empfang, den man uns in Gadara bereitete, einem Ort, wohin der Lehrer selbst das Evangelium gebracht hat.26 Ja, ich tadelte die Gemeinde von Gadara und ihre Schaustellern und falsche Religiosität während des Liebesmahls: Die Frauen gerieten in Raserei, als wären Teufel in sie gefahren, rissen sich die Kleider vom Leibe, redeten in Zungen, einfach widerlich.
18.
Schließlich tat man mir Gewalt an bei einer Hochzeit. In meiner Jugend waren, wie mir noch gut erinnerlich ist, Hochzeiten heilige und feierliche Angelegenheiten, aber heutzutage kann man von Glück sagen, wenn am Ende dieser Feiern noch jemand nüchtern ist, und der Segen des Allerhöchsten ruht gewiss auf dem Ereignis, wenn am Ende der unvermeidlichen betrunkenen Schlägerei noch mindestens fünf Familienangehörige nicht in ihrem Blute liegen.
Epaphrodius und ich wurden eingeladen. Zu meinem Verdruss gab man uns nicht den Vorsitz bei der Zeremonie, obwohl wir zweifellos höheren Ranges waren als irgendwer sonst in dieser scheußlichen, den Mammon vergötzenden Stadt.
Die Braut kam ganz in Safran, den gelbroten Schleier und die Kränze über sechs lächerliche falsche Zöpfe drapiert, genau wie die Vestalinnen sich zurechtzumachen pflegen. Bei den Gelübden, die das junge Paar dann herunterrasselte, habe ich nur die Anrufung des Zeus und der Hera vermisst , und dann wurde trotz meines Protests ein heidnischer Centurio – denn es ist jetzt sehr in Mode, Römer zu solchen Feiern zu bitten – aufgefordert, als auspex die Eingeweide eines riesigen Mutterschafs zu beschauen, das man opferte, wobei der Gott Israels nur eben kurz ersucht wurde, die Eingeweide günstig angeordnet sein zu lassen …Ist das nicht unglaublich? Dabei waren diese Leute gute gadarenische Juden – aber so heruntergekommen wie die sind wir heute in den äußeren Provinzen überall. Der Ring der widerwärtigen Braut, ein prangender Beweis des neuen Reichtums der Familie des Bräutigams, wurde stolz herumgezeigt, und dann kam das Fest, eine Orgie mit schalem, übermäßig gewässertem Wein und miserablem Entertainment – unzüchtiges Tanzen, natürlich junge Männer und junge Frauen zusammen, man glaubte den Troßhuren nach einer Schlacht zuzusehen! Und schließlich, nach viel zotiger Neckerei nahm der Bräutigam die junge Braut (ich würde vor Überraschung sterben, wenn sie noch unbefleckt gewesen sein sollte) und trug sie über die Schwelle ihres neuen Hauses, in einem Hagel von Nüssen.
19.
Es war während des Hagels dieser Nüsse, welche, wie ich dir wohl nicht zu erzählen brauche, zwei männlichen Körperteilen ähneln, die in der Hochzeitsnacht Gelegenheit erhalten sollten, ihre Nützlichkeit zu beweisen, daß die Verdrießlichkeiten für mich ernstlich anfingen. Da ich meinen moralischen Vorbehalt gegen das unwürdige
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