Der dritte Berg
wirkt er spinnenhaft. Hager wie Mukherjee (jedoch viel größer), finster blickend wie immer, mit einem ironischen Blinken in den Augen, überragt er die anderen drei Männer, und man hat den Eindruck, er habe sie in seiner Hand. Selbst diesen mächtigen Mukherjee.
Christian geht es hervorragend, daran besteht bei Betrachtung dieses Fotos kein Zweifel. Ich sage mir, es ist doch nur ein Bild, und dieser Mukherjee ist gewiss der Mann, der die Fäden spinnt. Ich weiß aber, dass das nicht stimmt. Es gibt Tage, die schlagen dich schon k.o., lange bevor es Abend ist.
Bebend vor Aufregung setze ich meine Suche fort. Christians Beziehung zu Maettgen scheint mir geklärt. Handelt es sich bei der gesamten Unternehmung tatsächlich um Christians ganz eigene Pläne, dann braucht er Maettgens wissenschaftliche Kenntnisse. Sollte wider Erwarten dieser Mukherjee der Boss sein, dann ist Maettgens Rolle ja dieselbe. (Die Frage ist bloß, wozu genau man Maettgen benötigt.) Christians Beziehung zu Mukherjee, und eine solche besteht ganz offenbar, bedarf kaum näherer Klärung. Mukherjee ist derjenige, der Christians und Maettgens Erkenntnisse mithilfe seines Unternehmens in Geld verwandeln wird. Doch was um Himmels willen soll dieser Dasgupta in der Runde? Der bloße Status als Schwiegersohn Mukherjees reicht mir nicht aus, um ihn auf dieses Bild zu bannen. Es hätte aber Dasguptas scheue Miene erklärt. Die verbleibende Unklarheit bezüglich Dasguptas macht den Mann interessant für mich. Ich schreibe daher Dasgupta und Fust in die Suchmaschine. Da kommen bloß drei oder vier Suchergebnisse, die alle mit einem Zeitungsartikel in Zusammenhang stehen, dessen Seite dann nicht auffindbar ist. Ein Kurzergebnis lautet folgendermaßen:
… in this process, Professor Christian Fust , Switzerland, and Professor S.R. Dasgupta , Kalonagar, dedicated their joint effort to the preservation of Kalonagar’s Old Town Library’s ancient department … receiving the city’s Medal of the Mayor, which Mr. Sandip Banerjea …
Die beiden haben zusammengearbeitet; eine alte Stadtbibliothek mit mittelalterlichen Schätzen. Dasgupta kann da auch bloß mit Geld und Kontakten zur Hand gegangen sein. Ich suche nach einer Telefonnummer. Es kostet mich eine geschlagene halbe Stunde, denn im Telefonbuch von Kalonagar findet sich Dasgupta natürlich nicht. Mal sehen, wie er auf mich und meinen Akzent reagiert. Es ist Samstag, ich kann es zu Hause versuchen. Einen Anfangssatz habe ich schnell gefunden, ich gebe mir einen Ruck, mache Musik und rufe Dasgupta auf dem Festnetz an. Schubert ist es jetzt, der in ziemlicher Lautstärke aus dem Radiokanal sprudelt, als ich ein doppelt geschlagenes Tuch um den Hörer des Hoteltelefons lege und, als Dasgupta den Anruf entgegennimmt, mit etwas höher gestellter Stimme und einem versuchten schweizerischen Tonfall sage: »Hallo, ich hoffe, Sie entspannen sich einmal, mein lieber Dasgupta.«
»Natürlich, natürlich, Professor Fust. Ich denke, Sie wollen die Unterlagen.«
Dasgupta ist nervös. Mit einem Schritt stehe ich mitten in irgendeinem Wespennest.
»Was sonst könnte ich wollen«, sage ich. Zu mehr reicht mein neu gefundenes Wissen noch nicht.
»Ich muss Sie noch um Geduld bitten«, stammelt Dasgupta weiter, »V.S. Bosu, mein Assistent, er macht die digitale Arbeit. Es dauert ein wenig.«
»Und wo haben Sie …«, sage ich, huste und hoffe, dass Dasgupta den Satz ergänzt.
»Ach, Sie meinen. Verstehe. Natürlich an unserer Forschungsaußenstelle. Nicht an der Universität. Nein, dort nicht.«
»Dasgupta, ich hoffe ja, Sie sind Ihren Preis wert.«
»Wir befinden uns sehr gut im Zeitplan«, Dasguptas Stimme zittert, er fühlt sich einer strengen Überprüfung unterzogen, »es kann nichts schiefgehen.«
»Sie bürgen mir für alles, lieber Dasgupta, das habe ich Ihnen wohl sonnenklar gemacht. Sie sitzen mit uns am Tisch beim Kongressabend, und das müssen Sie sich verdienen. Da hilft Ihr Schwiegervater ganz bestimmt nicht weiter. Wenn da etwas nicht klappt … ich erspare mir wohl lieber die unschönen Einzelheiten.«
»Keine Sorge, keine Sorge«, stammelt Dasgupta und japst nach Atem. »Mukherjee wird nichts erfahren … von mir nicht! Er denkt ja, alles sei meine Schuld, das, das mit dem Unfall. Und Sie haben mir versprochen …«
»Lassen Sie es gut sein, Dasgupta«, unterbreche ich ihn gelangweilt. »Regen Sie sich nicht so auf. Das bekommt Ihrer Pankreas nicht. Es wird alles Nötige veranlasst
Weitere Kostenlose Bücher