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Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.F. Dam
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Max-Planck-Institut. Ich sollte alles nochmal überdenken. Bestimmt aber hat Rehauge mich nicht gesehen. Ich kann keinen dämlichen klaren Gedanken fassen. Was soll ich mit Rehauge auch anstellen?
    Schließlich steige ich in mein Taxi und weiß nicht einmal, wohin ich jetzt fahren will. Weshalb ich es dem Fahrer überlasse zu handeln.

    Mein Appartement im Oberoi besteht aus einem Schlafzimmer und einem kleinen Salon. Das Badezimmer ist vom Schlafraum allein durch einen brokatähnlichen Vorhang abgetrennt und liegt zwei Natursteinstufen höher. Es war der Taxifahrer, der unbedingt wollte, dass ich das heute noch zu Gesicht bekomme. Die Badewanne ist sechseckig, mit Ausblick auf explodierende Sonnen im Golf von Bengalen. Was der Taxifahrer nicht weiß, ist, dass gute Hotels strenggenommen nicht existieren, denn sie sind die unwirklichsten Orte der Welt; und dass ich sie zuweilen bloß wähle, weil ich keine Lust auf Lausnissen und Fußpilz habe. Die Wirklichkeit kommt bei ihnen höchstens als Dhobi im Wäscherhaus vor.
    Erschöpft lasse ich mich im Sofa des Salons nieder. Mir ist klar geworden, dass es ohnehin klüger ist, erst ausreichend Wissen zu sammeln, bevor ich Christian gegenübertrete. Maggie muss ihm in den letzten Monaten misstraut haben, hat sie doch öfter bittere kritische Bemerkungen fallenlassen. Trotzdem hat sie mit ihm geschlafen; was ja auch das einzige Gebiet ihrer Ehe war, auf dem Einverständnis herrschte.
    Schließlich stelle ich das Hotelradio an und öffne mein Notebook. Von BBC Classics werde ich mit Brahms’ Dritter verwöhnt. Das poco allegretto hat begonnen. Es lässt mich an meine Mutter denken. Dieses traurigste poco allegretto der Musikgeschichte war ihr Lieblingsstück.
    Ich logge mich in das Hotelnetz ein und tippe die Begriffe Pharma und Kalonagar in meinen Computer. Es erscheinen die Website der Aroga Corporation, ein paar andere Websites der Pharmabranche, Berichte über einen Unfall in einer Fabrik sowie die Website einer Umweltschutzorganisation, die gegen die gesamte Pharma- und Chemiebranche Indiens wettert. Ich tippe die Worte Aroga und Kalonagar. Ähnliche Ergebnisse. Mehrere Namen tauchen jetzt auf. Ein G.C . Mukherjee, Vorstandsvorsitzender der Aroga Corporation, ein paar andere Mitglieder des Vorstands, und dann noch ein gewisser S.R. Dasgupta. Der Name S.R. Dasgupta erscheint in Verbindung mit diesem Mukherjee. Dasgupta gehört aber offenbar nicht zu Aroga. Ich öffne das zugehörige Dokument, es ist die Ankündigung der Geburt des ersten Sohnes jenes S.R. Dasgupta und seiner Frau Kamalaja Dasgupta, ihrerseits Tochter von G.C . Mukherjee. Die Ankündigung ist ein paar Jahre alt. Ein Bild zeigt diesen Dasgupta und seine Frau, samt Baby. Dasgupta ist grotesk fett und sicher schon Mitte fünfzig, die Frau dreißig, nicht hübsch, aber schlank. Dieser Dasgupta muss reich sein oder aus einer sehr angesehenen Familie stammen. Es stellt sich heraus, dass S.R. Dasgupta an der Universtität von Kalonagar ( Kalanagarer Vishvavidyalaya ) eine Professur für asiatische Geografie innehat. Aufs Geratewohl schreibe ich Fust , Maettgen , Dasgupta in die Maschine. Wieder ein Foto, aus der Online-Ausgabe einer Zeitung, und mit einer Bildunterschrift, welche die Namen der Abgelichteten angibt. Das Bild stammt vom Eröffnungsabend des Aroga-Kongresses, der wohl am Vortag stattgefunden hat. Ob Christian weiß, dass dieses Bild veröffentlicht wurde? Vier Männer sitzen an einem Tisch. Alle außer Christian sind fröhlich. Es ist lange nach dem Essen, und eine Menge leerer Gläser stehen auf dem Tisch. Der Vierte im Bunde ist der Chef von Aroga, dieser G.C . Mukherjee. Im Hintergrund sieht man volle Tische, an ihnen Herren in dunklen Anzügen und Frauen in Abendkleidung. G.C . Mukherjee ist hager, dunkel und sieht beherrscht aus, er sitzt aufrecht, lächelt aber breit. Sein Schwiegersohn S.R. Dasgupta ist betrunken und blickt scheu drein, so als fühle er sich in Gesellschaft dieser anderen Männer nicht wohl. Die anderen groß, er ein Wicht. Horst Maettgen hat ebenfalls dem Alkohol zugesprochen, er lächelt verzückt und ist nicht ganz präsent. Sein Blick geht nicht in die Kamera. Wie habe ich mich bei ihm getäuscht. Ein Wissenschaftler, zum Leben in einer Welt verdammt, die nicht zu ihm gehört.
    Doch nicht deshalb gibt mir dieses Bild eine Menge zu denken. Denn Christian, der neben Mukherjee sitzt, ist nicht bloß Teil der Gesellschaft an diesem Tisch. Er ist diese Gesellschaft. Fast

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