Der dritte Berg
StraÃe entlangläuft, der Bay-of-Bengal-Drive. Am BBD rufe ich ein Taxi.
Wir fahren in den Nordwesten der Stadt, vorbei am Stadtzentrum mit seinen StraÃenschluchten. Dort im Nordwesten, unweit des Bengal-Star-Hotels, steht ein riesiger Turm aus Glas in der südbengalischen Sonne; er ist blau, eindrucksvoll, ein steiler Pyramidenstumpf. Ein Schriftzug, der quer über die Fassade in das Glas gebrannt ist, lässt keinen Zweifel daran, wer eine ausreichend groÃe Investitionsrücklage besitzt, um den Architekten, den Glaslieferanten und die dreitausend Mann zu zahlen, die den Pyramidenstumpf dort abgestellt haben: AROGA .
Vor dem Bengal-Star-Hotel steige ich aus dem Taxi und begebe mich zur Rezeption. Sie liegt in der eisgekühlten Lobby. Ich sei vom Organisationskomitee des Aroga-Kongresses, das bringe ich einer hustenden Empfangsdame vor, und hätte Mitteilungen für die Herren Fust und Maettgen. Die Dame greift zum Telefon und ruft an. In Horst Maettgens Zimmer ist niemand anwesend. Und ein Christian Fust, so sagt sie, sei in dem Hotel gar nicht abgestiegen. Es sei zwar ein Zimmer auf seinen Namen reserviert und auch bezahlt. »Professor Fust ist aber nicht gekommen.«
Die Hitze drauÃen ist zu einem wohligen Hauch geworden. Ich lehne mich an mein Taxi, das gegenüber vom Eingang parkt. Ich erwäge, einfach hier auf Maettgen zu warten. Aber irgendwo in dieser Stadt muss doch auch Christian stecken.
Bei diesem Gedanken macht sich mein Körper selbständig. Er schnellt vor, duckt sich hinab zum Taxifenster, als wolle er, dass ich den Fahrer bezahle, und ich sehe, in dieser Bewegung, zehn Meter vor mir eine Dame ihre aufsehenerregenden, in einem giftgrünen, weit ausgeschnittenen Kleid steckenden Hüften â unnütze, für die bloÃe Fortbewegung entbehrliche Bewegungen â durch eine Gruppe von Touristen manövrieren, vorbei an kleinen Fächerpalmen hinüber zum Hoteleingang, und mir zittern die Knie â¦
⦠während ich halb ahne, halb sehe, wie das Kleid, Rehauges verteufelt giftgrünes Kleid!, sich in einen schwingenden Fleck verwandelt, der sich in der schattigen Eishöhle der Hotellobby langsam auflöst. So als stelle man ein Objektiv unschärfer und immer unschärfer.
Mir zittern immer noch die Knie.
Dazu zischen mehrere Optionen und Reaktionen in Form von Adrenalin durch meine Adern. Ich verwerfe sie aber alle. Dass Maettgen mit seiner Sekretärin auf Reisen geht, sollte mich ja keineswegs in Erstaunen versetzen. Nicht nach dem Zusammentreffen am Max-Planck-Institut. Ich sollte alles nochmal überdenken. Bestimmt aber hat Rehauge mich nicht gesehen. Ich kann keinen dämlichen klaren Gedanken fassen. Was soll ich mit Rehauge auch anstellen?
SchlieÃlich steige ich in mein Taxi und weià nicht einmal, wohin ich jetzt fahren will. Weshalb ich es dem Fahrer überlasse zu handeln.
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Mein Appartement im Oberoi besteht aus einem Schlafzimmer und einem kleinen Salon. Das Badezimmer ist vom Schlafraum allein durch einen brokatähnlichen Vorhang abgetrennt und liegt zwei Natursteinstufen höher. Es war der Taxifahrer, der unbedingt wollte, dass ich das heute noch zu Gesicht bekomme. Die Badewanne ist sechseckig, mit Ausblick auf explodierende Sonnen im Golf von Bengalen. Was der Taxifahrer nicht weiÃ, ist, dass gute Hotels strenggenommen nicht existieren, denn sie sind die unwirklichsten Orte der Welt; und dass ich sie zuweilen bloà wähle, weil ich keine Lust auf Lausnissen und FuÃpilz habe. Die Wirklichkeit kommt bei ihnen höchstens als Dhobi im Wäscherhaus vor.
Erschöpft lasse ich mich im Sofa des Salons nieder. Mir ist klar geworden, dass es ohnehin klüger ist, erst ausreichend Wissen zu sammeln, bevor ich Christian gegenübertrete. Maggie muss ihm in den letzten Monaten misstraut haben, hat sie doch öfter bittere kritische Bemerkungen fallenlassen. Trotzdem hat sie mit ihm geschlafen; was ja auch das einzige Gebiet ihrer Ehe war, auf dem Einverständnis herrschte.
SchlieÃlich stelle ich das Hotelradio an und öffne mein Notebook. Von BBC Classics werde ich mit Brahmsâ Dritter verwöhnt. Das poco allegretto hat begonnen. Es lässt mich an meine Mutter denken. Dieses traurigste poco allegretto der Musikgeschichte war ihr Lieblingsstück.
Ich logge mich in das Hotelnetz ein und tippe die Begriffe Pharma und Kalonagar in meinen Computer. Es erscheinen die Website der
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