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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. F. Dam
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während ich mich noch finsteren Gedanken widme; sie trägt Jeans, flache Sandalen und ein schlecht sitzendes, gelbweißes T-Shirt.
    Mit unserem Gepäck schlüpfen wir hinaus in den bengalischen Sommer – er liegt wie ein mattes Tier über dem flachen Land – und nehmen uns ein Taxi. »Zum Oberoi«, sage ich zum Fahrer. Im Oberoi-Hotel habe ich zwei Zimmer reserviert, deren Bezahlung ich wohl übernehmen muss.
    In der Stadt: keine Kühe, keine Rikschas, keine Dreckshaufen, dafür jede Menge europäischer und japanischer Autos. Ich glotze; ich bin ja erst einmal in Kalonagar gewesen, zehn oder elf war ich damals, und ich habe kaum Erinnerung daran. Alle Häuser sind hübsch gestrichen, es gibt Vorgärten und überall Balkone, die Bürgersteige sind benutzbar und im Stadtzentrum gewinnen Glasfassaden die Oberhand.
    Bald fahren wir einen langgezogenen, schönen Park entlang. Er führt hinab zum Meer und mündet fast in die Meerespromenade.
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    Das Oberoi ist ein elliptischer Bau aus weißem Stahlbeton, der sich am Ende der von Silberpalmen gesäumten, breiten Promenade in das Meer hinauslehnt.
    Während wir uns anmelden, frage ich die schöne Rezeptionistin, in deren jungem Gesicht niemals der alte, unmenschliche Schmerz Bengalens stand, nach zwei Freunden. Horst Maettgen und Christian Fust. Ich vermute, sage ich, sie seien ebenfalls hier abgestiegen. Die Dame lächelt bezaubernd und lässt ihren Blick über den Bildschirm schweifen.
    Â»Tut mir sehr leid, Dr. Rai«, sagt sie mit einem abschätzigen Blick auf Sophia, »Ihre Freunde wohnen leider nicht bei uns.« Sie überreicht uns die Magnetkartenschlüssel in einem Papieretui. »In einer halben Stunde sind Ihre beiden Zimmer bereit.« Betonung auf beide .
    Sophia verdrückt sich samt Handgepäck auf die Toilette. Wahrscheinlich hat sie den Blick der makellosen Dame bemerkt und will ihr T-Shirt loswerden. Ich gehe durch die halb im Freien liegende Lobby, dann entlang einer mit dunklen Steinen ausgelegten Wasserfläche bis zu deren östlichem Ende, wo, zwanzig Meter unter mir, die Schönheit selbst, der Golf von Bengalen, in der grellen Sonne explodiert.

 
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    KALONAGAR ALSO LEISTET SICH elf Luxushotels. Die Liste in der kleinen Broschüre, die ich in Händen halte, wird angeführt vom Ritz. Dann kommen das Hilton, das Marriott, das Grand India und ganz am Ende das Oberoi.
    Ich ziehe mein Mobiltelefon hervor. Noch am Flughafen haben Sophia und ich uns Prepaid-Karten für Indien besorgt. Die Broschüre habe ich mir an der Rezeption geholt und mich dann in eine stille Ecke zum Telefonieren verzogen. Sophia hat Glück, ihr Zimmer ist schon fertig, und sie hat keinen Augenblick gezögert, mich hier allein zu lassen. Nach der Rückkehr von der Toilette trug sie eine hübsche silberblaue Hemdbluse.
    Ich mache mich daran, die Hotelliste durchzutelefonieren. Ich frage nach Christian Fust und Horst Maettgen. Das Ritz und das Grand India lasse ich aus.
    Bei sechs Hotels erhalte ich abschlägige Antworten. Beim siebten Anruf aber stellt sich heraus, dass beide, Christian und Maettgen, im Bengal-Star-Hotel wohnen.
    Ich werde unruhig. Ich springe auf. Dann laufe ich hinaus auf die Meerespromenade. Anfangs weiß ich gar nicht, weshalb.
    Die Promenade ist um diese Mittagsstunde wie leergefegt. Die Luftfeuchtigkeit ist gestiegen, ein paar Katzen und Hunde verkriechen sich im Schatten der Palmen. Die Bänke und Tischchen aus weißem Beton schwitzen eine gelbliche Flüssigkeit aus sich heraus.
    Draußen, über dem offenen Meer: weißgraue Wolkenschatten. Ich halte sie erst für eine Luftspiegelung. Wolken sind in Nordindien nichts Alltägliches, nicht mal in der Ferne, sie haben strenge Regeln zu befolgen, sie benötigen glasklare Erklärungen. Doch gibt es bald keinen Zweifel mehr. Der Monsun! Ich weiß nicht alles über den Monsun im Nordosten, aber ich weiß, dass er frühestens in einem Monat kommen sollte. Ich nehme mir vor, Prabhat anzurufen. Prabhat arbeitet am Indian Institute of Tropical Meteorology in Pune, und ich will wissen, was die dazu sagen. Ich weiß nun auch, dass die kommende Woche unangenehm werden wird. Die Luft wird sich in einen feuchten Sumpf verwandeln und sich keinen erwähnenswerten Zentimeter mehr bewegen.
    Ich gehe auf die lange Reihe von Silberpalmen zu, hinter denen eine große, vierspurige

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