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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. F. Dam
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fehlt der Verputz. Ich lasse den Taxifahrer ebenfalls halten und ein Stück zurücksetzen. Ich steige aus dem Taxi und verberge mich hinter einem Kleinlaster, der in der Straße abgestellt ist. Dasgupta klettert aus seinem schwarzen Nissan und betritt das Gebäude, indem er eine Magnetkarte in einen in die Mauer eingelassenen Leseschlitz steckt. Er verschwindet hinter einer doppelflügeligen Aluminiumtür, welche sich sofort wieder schließt.
    Ich verlasse meine Deckung, nähere mich dem Gebäude und lese das Messingschild an der Wand. Es sagt:
    Â 
    Research Centre for Geography
    and
    Himalayan Studies

 
    Â 
    Â 
    DIE SCHÖNE REZEPTIONISTIN winkt mich zu sich, als ich eine halbe Stunde später an der Rezeption vorüber zum Fahrstuhl gehe. Ich trete an ihr Pult, worauf sie sogleich nach hinten ins Büro verschwindet.
    Â»Dieser Umschlag ist für Sie abgegeben worden, Dr. Rai«, flötet sie in ihrem besten Alt, als sie zurückkommt. In ihren biochemischen Programmen hat bei meinem Anblick vorhin etwas einen Schalter umgelegt. Ihr gesamter Körper steht jetzt auf Ein .
    Das alles aber geschieht am Rande meines Bewusstseins. Da ist der Umschlag. Und da ist der Mann, von dem er kommt.
    Â»Wer hat das abgegeben?«, frage ich.
    Â»Ach, vor einer Stunde vielleicht, ich weiß nicht, von wem. Ich hoffe, Sie fühlen sich nicht belästigt, Dr. Rai. Sollen wir den …«
    Â»Nein, schon gut. Vielen Dank.«
    Neugier springt wie ein rastloses Tier in mir herum. Ich mache mich aber gerne beliebt. Um ihr eine Freude zu bereiten, frage ich die Dame nach Dasguptas Unfall. Ja, singt die Rezeptionistin (und widersteht nur mit Mühe dem Haarebefummeln und den winzigen Körperdrehungen), eine furchtbare Sache, der Vorfall sei hier bekannt, vor zwei Jahren. Dasguptas Frau, die sei doch die Tochter des großen Mukherjee, der von Aroga. Bei einem Verkehrsunfall schwerverletzt, zum Glück allein im Auto, doch sie verbringe ihre Tage nun im Rollstuhl. Ihr Mann, ein dicker Kloß, habe damit seine Chance auf den Posten des Universitätsrektors verspielt, für den er doch vorgesehen war. Dieser Mukherjee hätte in dieser Stadt auch in solchen Dingen ein gewichtiges Wort mitzureden, und er hasse Dasgupta, ja, da gebe es jede Menge Gerüchte. Mache er doch Dasgupta für den Unfall verantwortlich. »Eine wichtige Familie, die Dasguptas«, fügt sie noch hinzu.
    Im Fahrstuhl öffne ich den Umschlag. Ein Brief von Xaver Schmithausen. Er sei hier in Kalonagar, nehme, wie seit langem geplant, an dem Kongress von Aroga teil und werde demnächst noch einmal Kontakt mit mir aufnehmen. Da er weder meine Zimmernummer (man teile sie ihm nicht mit) noch meine Telefonnummer besitze, müsse das via Rezeption geschehen. Er habe Dinge mit mir zu besprechen, die für mich mit Sicherheit von Interesse seien.
    Woher zum Teufel weiß Schmithausen von meinem Aufenthalt hier? Ich werde unruhig. Es ist eine angenehme Unruhe. Die Dinge sind am Rollen. Am Ende steht in Schmithausens Nachricht aber ein Satz, der mich wirklich aufwühlt. Einem Lehrstuhlinhaber für Botanik jedenfalls scheint er mir wenig angemessen: Wir alle sitzen doch im selben Boot. Alle auf der Suche nach dem Quell des Lebens.
    Das ist zu viel für mich. Ein gefährlicher Gedanke züngelt in mir, als ich die Tür zu meinem Appartement aufschließe. Ich gehe zur Minibar und angle mir einen Brandy. Ich hasse Brandy. So weit hat man mich gebracht. Es gibt Leute, die machen alles richtig, sind erfolgreiche Wissenschaftler, aber irgendwann, da biegen sie einfach falsch ab, und am Ende erzählen sie anderen etwas von einem Quell des Lebens.
    Â 
    Wie vereinbart, will ich Sophia gegen sieben Uhr zum Abendessen abholen. Ihr Zimmer liegt auf derselben Etage wie meines. Ich gehe den düsteren Hotelkorridor entlang. Der Korridor ist als scharfer Kontrast zu dem Überfluss von Licht überall dort draußen gedacht. Man glaubt, es sei Nacht und ein Stromausfall zwinge zur Notbeleuchtung. Ich bin auf dem Weg zum Fahrstuhl. Zehn, fünfzehn Meter vor mir schreitet eine Gestalt durch das Halbdunkel, die ich zunächst kaum wahrnehme. Dann ein kurzes Hüsteln, das mich aus meinen Gedanken reißt. Die Gestalt läuft zielstrebig den Korridor hinunter, offenbar hat sie es eilig. Ich folge ihr. Sie geht am Fahrstuhl vorbei, biegt nach rechts in den anschließenden Korridor und bleibt vor einer

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