Der dritte Berg
Handschriften abweicht. Bei den Einlegeblättern mit handgeschriebenem Sanskrit muss es sich dann um Abschriften aus dieser neuen Palmblatthandschrift handeln, um Abschriften von Texten, die man in der gängigen Version des neunten Buches des Rigveda vergeblich suchen wird. Die Entdeckung einer solchen neuen Handschrift des Rigveda allein wäre eine wissenschaftliche Sensation für sich. Es ist beinahe, als entdecke man eine neue Schriftrolle der Bibel aus den ersten christlichen Jahrhunderten, und diese beschere uns bisher unbekannte Worte Jesu, oder alternative Schilderungen seines Lebens. Und dazu ist Christians Manuskript noch mit einem Kommentar versehen. Das ist bei alten indischen Texten zwar üblich, doch dürfte dieser Kommentar eher von der auÃergewöhnlichen Sorte sein.
Als ich weiterblättere, taucht immer öfter der Name Dasgupta auf. Und immer noch weià ich nicht, was Christian von diesem Mann will.
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Dasgupta ist gefräÃig bis in die letzte Zelle. Bei einem Abendessen bei Mukherjee, Terrasse, ebenso Maettgen und seine unergründliche Ãngela dabei, wirft er mir böse Blicke zu. Denkt, weil er aus einer solchen Familie stammt und Mukherjees Göre ihm den Schwanz gelutscht hat, kann er sich alles erlauben. Die glauben doch hier in diesem heruntergekommenen Land, es gehe nur noch um Geld. Keine Freundschaft, keine Loyalität. In fünfundzwanzig Jahren ein beeindruckender Fortschritt von Bhagavadgita plus Gandhi plus Nehru zu Software, Börsen und einer perversen Verehrung für Bankkonten.
Und dabei ist dieser Mann eine Gefahr. Redet zu viel, insgesamt ein Versager. Es wird sich zeigen, ob ich mir Mitwisser leisten kann.
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Die Stimmen am Treppenaufgang sind jetzt lauter. Gelächter. Ich laufe wieder zur Tür. Ich vergaÃ, sie aufzuschlieÃen. Dann zurück, ich lese weiter.
Hier der Tag, an dem ich Rehauge über den Weg gelaufen bin. Freispruch für Sophia. Rehauge hat mich beim Bengal-Star-Hotel gesehen. Ihrem Mangel an Humor verdanke ich drei Tage Gefängnis.
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Lasse Mukherjee machen. Er telefoniert mit diesem Polizeimajor, ich glaube, er heiÃt Sengupta. Ein äuÃerst kooperativer Mann, sagt Mukherjee und meint damit bloà Bestechung. Verlange, man dürfe keine unnötige Gewalt anwenden, immerhin handelt es sich um einen Freund. Aber diese lästige Laus muss ich loswerden!
»Seien Sie unbesorgt«, meint Mukherjee. »Ein paar Tage genügen. Eine kleine, schmutzige Polizeistation bei dieser Hitze, sie erledigt härtere Knochen.«
Willige ein. Das verschafft mir ein bisschen Zeit mit Sophia. Seltsam, aber vermisse sie doch tatsächlich.
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Vielleicht sollte mal jemand eine Rangliste der Niedertracht erstellen. Vielleicht sollte endlich jemand die Tür aufreiÃen, damit ich nicht die Wände anbrüllen muss. Vor Wut zerknülle ich ein paar Blätter des Notizbuchs, presse sie in meiner Faust zu Pappmaché, bis das dort Geschriebene komplett unleserlich ist und meine Hand weià wie frischer Gouda.
Doch bevor ich anfange zu randalieren, bevor ich mich an diversen anderen Gegenständen absolut unmoralisch vergreifen kann: Schritte auf der Treppe. Zu meiner eigenen Ãberraschung dauert es nur ein oder zwei, na ja, vielleicht vier Sekunden, bis mein wütender Puls auf hundertvierzig runter ist und ich eine kalte, beherrschte Entscheidung treffen kann. Eine, die es mir erlaubt, ein paar Trümpfe in der Hand zu behalten.
In einer einzigen, groÃen, flatternden Bewegung verteile ich alle losen Blätter wieder so unordentlich wie möglich über den Tisch, lege zugleich die Notizbücher an ihren Platz und sprinte zum Fenster. Das schiebe, nein, ramme ich hoch und hechte hinaus auf ein Gesims. Ich ziehe das Fenster notdürftig zu und lange mit der anderen Hand zugleich in ein Rankgerüst aus Metallbändern, als Christian auch schon die Tür zu seinem Zimmer öffnet. Ich stehe auf dem Gesims, was ich irgendwie schaffe, obwohl es meinen ganzen Körper gewaltig durchschüttelt; ich kralle meine Hand eisern in das Stahlgitter, das voll mit Hibiskusblüten steht. Ich presse meinen Atem runter, atme so ruhig ich kann, langsam zeigt das Wirkung. Aus einem sehr spitzen Winkel kann ich auf den Schreibtisch in Christians Zimmer sehen. Christian tritt an den Schreibtisch heran. Ich sehe nur seine Hände. Dann verschwinden die Hände wieder. Das Schiebefenster ist
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