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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. F. Dam
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gegen sein Einverständnis mit Christians Anwesenheit in seinem Arbeitszimmer. Dann fährt er den Computer herunter. Und jetzt will Christian gehen. Ich entferne mich von der Tür, lese im Laufschritt meine Schuhe auf und drücke mich unweit des Treppenhauses in eine dunkle Ecke. Christian kommt den Gang herunter, öffnet die Tür zu jenem anderen Raum mit dem mutmaßlichen Fernsehapparat, geht hinein und kommt ein paar Sekunden später wieder heraus. In wenigen Metern Entfernung schreitet er an mir vorüber. Dann läuft er ohne zu zögern die Treppe hinab und verlässt das Gebäude durch die Hintertür, die er absperrt.
    Ich gehe zurück zu Dasguptas Arbeitszimmer und sehe mich um. Ich finde nicht viel. Vermessungskarten, Isomerendiagramme, Höhenprofile, Vegetationskarten, Satellitenbilder. Vieles aus dem östlichen Himalaya, offenbar ein Forschungsschwerpunkt von S.R. Dasgupta. Manches befasst sich auch mit Gebieten etwas weiter im Süden, mit Meghalaya und Mizoram. Den Computer fahre ich nicht hoch. Ich habe keine Zeit und auch keine Hoffnung, ohne Passwort Zugriff auf seine Speicher zu erhalten. Christian muss das Passwort bekannt gewesen sein, oder Dasgupta war vorhin da. Sein Wagen steht doch unten. Und sonst ist da nichts, das mir in irgendeiner Weise in Verbindung mit Christians Projekt zu stehen scheint.
    Ich verlasse Dasguptas Arbeitszimmer wieder und begebe mich zum Treppenhaus. Auf dem Weg dorthin komme ich wieder an diesem anderen Zimmer mit den Stimmen vorbei. Aus ihm dringt nun indische Popmusik. Ich öffne die Tür so geräuschlos, wie ich kann. Niemand ist zu sehen. Ein Bollywoodfilm läuft auf einem kleinen Fernsehgerät, das auf einem Esstisch steht. Ich trete in den Raum. Es ist eine Küche mit Essecke und einem großen Fenster. Ein sonderbarer Geruch hängt in dem Raum. Er kommt nicht von den Bränden, deren Lichtschein immer näher rückt.
    In diesem Augenblick höre ich ein leises Wimmern. Ich wende mich um. Im Halbdunkel hinter der Tür liegt ein Wesen auf dem Boden, dessen Ränder nicht sogleich auszumachen sind. Arme und Beine stehen in kurzen Stümpfen ab, die in Wulsten enden. Der Kopf steckt hinter einem sich fast unmerklich hebenden und senkenden Berg. Aus einer Schusswunde an der rechten Brustseite quillt Blut.
    Es ist Dasgupta; er lebt, und wenn rasche Hilfe kommt, wird er an dieser Verletzung nicht zugrunde gehen. Er kann aber nicht sprechen. Noch weniger sich bewegen. Er sieht mich erstaunt an. Er hat ja keine Ahnung, wer ich bin und was ich hier will. Ich sage ihm meinen Namen, und dass ich hinter Christian Fust her bin. Ich sage nicht, dass ich Christian gut kenne. Jetzt will Dasgupta mir mit den Augen etwas zeigen. Er meint eine kleine Mappe, die auf dem Stuhl unter dem Esstisch liegt. Ich nehme sie zur Hand, was ihn zufrieden die Augen schließen und beinahe lächeln lässt. Dann nehme ich mein Telefon aus meiner Hosentasche und betätige den Notruf, jedoch ohne der Notrufzentrale die genaue Adresse mitteilen zu können. Ich kann nur den Namen des Instituts angeben und darum bitten, mein Telefon zu orten, weiß aber nicht, ob sie das so rasch hinkriegen. Dasgupta atmet schwer. Ich beschließe, hinunter auf die Straße zu laufen, um der Notrufstelle Straßennamen und Hausnummer nachreichen zu können. Ich suche nach Schlüsseln. In Dasguptas Jacket werde ich fündig. Ich sage Dasgupta, was ich vorhabe, springe die Treppe hinunter in den Innenhof und klettere über das Aluminiumtor. Als ich nach einem Straßenschild Ausschau halte, gewahre ich ein kleines Blitzen in einem Fenster. Es könnte das Küchenfenster sein, hinter dem der schwerverletzte Dasgupta liegt. Noch einmal ein Zucken, schließlich ein grelles Licht, und die Zeit hält an.
    Damit das grelle Licht ein wenig Leuchtkraft entfalten kann. Die Glasfläche von Dasguptas Küchenfenster wölbt sich nach außen, dann birst sie in gezackte Scheiben, die in immer kleinere Stücke brechen und sich in einen Scherbenregen verwandeln. Glassplitter schießen wie kleine Geschosse in die Finsternis. Ganz am Ende kommt der Knall und der obere Teil des geografischen Forschungsinstituts wird zu einem feuerspeienden Drachen. Zischend, brüllend speit er gelbweißblaue Gluten von sich, einmal, eine Viertelsekunde später ein zweites Mal, er berauscht sich an seinem Werk, und der Scherbenregen geht auf die Dächer der

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