Der dritte Berg
wenigen schrottreifen Autos nieder, die noch in dieser StraÃe abgestellt sind. Gegenstände, jetzt in rasendem Tempo, da die Zeit wieder intakt ist, fliegen auf die StraÃe herab.
Ich bin wie festgeschnallt an diesen Augenblick. Ich kann mich nicht bewegen. Ein kleines Stück, vielleicht Metall, trifft mich am rechten Arm. Meine Sohlen sind Teil des Asphalts geworden. Ich zucke mit der Schulter, es soll eine Bewegung werden. Gedanken blähen sich in mir auf, aber ich denke sie nicht. Sie gewinnen bloà an Umfang und Leere, und schlieÃlich platzen sie alle auf und überrennen mich. Dünne, schnelle Gedanken.
Ein paar Sekunden nur. Gebt mir Zeit. Die Starre in meinen Muskeln lässt bereits nach.
Eine beispiellose Willensanstrengung ist nötig, damit ich mich wieder bewegen kann. Dann renne ich zum Schiebetor, schneller als ich jemals zuvor gerannt bin. Ich springe in die Einfahrt und renne wieder die Treppe hinauf. Doch komme ich nicht weit, alles im oberen Geschoss steht in Flammen. In diesem Augenblick höre ich auch schon Sirenen und sehe drauÃen Blaulicht kreisen. Ich laufe ans andere Ende des mittleren Geschosses und mache dort ein Fenster auf. Am Rand des Hinterhofes öffnet es beinahe schon auf das Nachbargrundstück und auf die Mauer, die dieses Grundstück vom Institutsgebäude trennt. Ich klettere hinaus auf die Mauerkrone, und von ihr springe ich in einen dunklen Nachbargarten hinab.
Neben mir kann ich im Dunkeln Metallteile ausmachen, alte Gerüstböcke, eine Art Tisch und etwas, das wie eine Egge aussieht. Ein wenig weiter nach links, und ich hätte mir sämtliche Knochen gebrochen und mich von oben bis unten aufgeschlitzt. Der wild wuchernde Garten ist hinten von dichten Büschen begrenzt. Ich klettere über diese Hecke und komme in einer dunklen SeitenstraÃe zu stehen, die nur durch das Blaulicht rhythmisch erhellt wird. Dort schleiche ich wohl hundert Meter weit aus dem Bereich des Geschehens. Ich nehme die SIM -Karte aus meinem Telefon und wühle sie in einen Haufen Müll hinein. Ich habe keine Lust, bloà dafür verhaftet zu werden, mich am falschen Ort befunden zu haben.
Ich versuche einen kühlen Kopf zu bewahren. Wieso habe ich den Schuss im Institut nicht gehört? Wegen des Lärms überall dort drauÃen? Oder Dasgupta war bereits angeschossen, bevor ich mit Christians Wagen ankam. Vielleicht aber doch Christian, mit seiner dunklen Pistole. Oder der Fahrer. Oder der Fahrer mit Christians Pistole. Und wo ist der Fahrer die ganze Zeit gewesen?
Ich ziehe mein Hemd aus und verwende es als Atemschutz. Auf einem kleinen Pfad gelange ich wieder zurück zur StraÃe und bewege mich in Richtung des Instituts. Ich sehe nirgends einen Rettungswagen, bloà Polizei und mehrere Löschwagen der Feuerwehr. Hinter Dasguptas Forschungsinstitut kann ich jetzt schon die Flammen der groÃen Brände sehen. Ein Löschhubschrauber mit starken Scheinwerfern wirft eine Ladung Wasser ab und die Feuerwehr beginnt mit dem Vorhaben, die Häuserzeile, in der Dasguptas Gebäude steht, zu retten. Weià überhaupt jemand, dass hier eine Gasexplosion stattgefunden hat und Dasguptas Leiche oben in seinem Forschungszentrum liegt? Ich wage es nicht, den Löschtrupp auf den Toten hinzuweisen, und laufe einfach davon. Weg vom Feuer, in Richtung Süden, Richtung Stadtzentrum. SchlieÃlich gelange ich auf eine groÃe DurchzugsstraÃe.
Die StraÃe führt an diesem schäbigen Gebiet vorbei und bald kann man besser atmen. Immer wieder muss ich anhalten und husten. Ich begegne einem weiteren Löschwagenzug, vor dem ich mich hinter einer Mauer verberge. Der Helikopter ist im Dauereinsatz.
Es gibt keine Brise mehr, die rauchgraue Atmosphäre Kalonagars verfault in sich selber und wartet, von Feuer oder Regen erlöst zu werden. Christian kommt zu mir. Sein Haus, die Sauna in seinem Keller, in der wir mit ein paar Freunden oft geschwitzt haben. Maggie und Christian und ich in San Felice del Benaco. Lambruscoflüsse. Calvinistensohn. Genius. Erlöser. Mörder von Kolossen.
Ich entdecke, dass ich die ganze Zeit, ohne noch darum zu wissen, Dasguptas kleine Mappe in Händen gehalten habe.
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Ein heftiges Gewitter zerreiÃt in dieser Nacht die Atmosphäre über der Stadt. Es löscht ein paar der Brände. Doch werden StraÃen zu Flüssen, Kanalschächte kochen, Fontänen schieÃen aus dem
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