Der dritte Kontinent (Artesian 3) (German Edition)
Augen und versuchte an nichts zu denken, was ihm nicht sonderlich gut gelang.
Wo war Madigan? Vom Beginn dieser Reise an hatte er bei jedem Schritt erwartet, ihr zu begegnen. Er konnte nur mutmaßen, dass sie aus irgendeinem Grund länger auf der Independence hatte bleiben müssen als geplant.
Er drehte sich auf die Seite. Nein, das war auch nicht besser. Er drehte sich wieder auf den Rücken. Die Dunkelheit ging ihm auf die Nerven. Es machte keinen Unterschied, ob er die Augen offen oder geschlossen hatte. Schwärze überall.
Tippet störte das überhaupt nicht. Er hörte ihre ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge.
Ihr seltsamer Monolog, den sie unter dem Einfluss der dunklen Magie des Frühlings gesprochen hatte, fiel ihm wieder ein. Was hatte sie mit ‚Der König der Winde bringt die Seinen um und muss sterben’ gemeint? Oder wen? Sich selbst? Wigget? Eines seiner Kinder? Betrachtete Tippet den Anführer Zyrc als ihren König? Seit wann kümmerte sich ein Chetekke um seine Brüder und Schwestern?
Er wurde einfach nicht schlau aus ihren Worten. Hier war ein Rätsel, dass größer schien als er selbst, soviel stand fest. Ein angriffslustiges Grinsen zog seinen Mund in die Breite. Es ging nicht nur um einen Namen, es ging um viel mehr. Er wusste wenig über Tippet. Sie redete nicht gern über sich, und immer, wenn sie eine kleine Information preisgab, verweigerte sie anschließend jede weitere Antwort, ja verbat sich sogar die Fragen, die Hockster auf der Zunge brannten wie starker Schnaps!
Weshalb konnte sie nicht fliegen? Weshalb konnte sie nicht wortlos sprechen? Sie gehörte zweifelsfrei der Gattung der Drachen an, aber wo waren ihre Eltern, ihre Familie? Kein Lebewesen kam aus dem Nichts! Zumindest nicht auf Artesian, abgesehen von Madigan! Wovor lief Tippet davon? Oder musste die Frage heißen: Vor wem lief sie davon? War ihr Leben in Gefahr? Weshalb kehrte sie dann nach gelungener Flucht freiwillig zurück? Hockster wusste, dass viele Menschen und alle Drachen Freundschaften sehr ernst nahmen, aber ging der Einsatz des Lebens nicht doch zu weit? Er schüttelte den Kopf. Dann zählte er die Fakten an einer Hand ab: Tippet war nach eigener Aussage in Zatkan geboren und aufgewachsen! Der Magier und König der Chetekken, Zyrc, war ihr Lehrer und hatte sie ausgebildet. Sie war davon gelaufen und hatte sich mehrere Tage in Tazkys versteckt, war so für mehrere Jahre verschwunden geblieben. Hockster konnte nicht glauben, dass die Chetekken einem einzigartigen Wesen wie Tippet es erlaubten, sich frei zu bewegen, und doch war ihr die Flucht gelungen. Das schien zumindest unwahrscheinlich. Andererseits fühlte sie sich sicher genug, noch einmal mit ihm hierher zurückzukehren. Was hatte sie so Wichtiges mit Wigget besprechen müssen, dass sie eine ganze Nacht im Lindental verbracht hatte? Was hatte Wigget mit Tippet gemeinsam außer der Zugehörigkeit zur selben Art?
Hockster setzte sich auf. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Zu viele Fragen, keine Antworten, zu wenig Fakten und viel zu viele Vermutungen. Eine machte ihm besonders zu schaffen - er konnte nicht mehr länger ausschließen, dass Tippets Flucht, die Glasarmee und auch Wigget irgendwie miteinander verbunden waren. Hatte er etwas vergessen? Ach ja, die Box. Der schwarze Kasten tauchte auch immer wieder aus der Tiefe seiner Gedanken auf wie Luftblasen aus einem See. Und so landete er unversehens wieder bei Madigan. Hoffentlich ging es ihr gut.
Genug. Er wollte keine Sekunde mehr länger hierbleiben als nötig. Er sorgte für ein angenehmes magisches Licht und weckte Tippet auf.
Die Drachin gähnte und zeigte zwei Reihen perfekter Zähne, jeder einzelne scharf und spitz wie ein Dolch.
„Ihr habt einen Grund, mich zu wecken?“
„Natürlich!“
Die Drachin spitzte die Ohren, sog die abgestandene Luft ein, aber sie hörte nichts und sie roch auch nichts. „Welchen?“, fragte sie. Unmut schwang in ihrer Stimme mit.
„Es wird Zeit aufzubrechen.“
„Wir sind gerade mal eine halbe Stunde hier!“
„Mir kommt es wie fünf Tag vor“, widersprach Hockster.
„Ha, ha!“, lachte Tippet freudlos. „Also los.“
Nach einer Weile fragte Hockster: „Sind wir letztes Mal denselben Weg gegangen.“
„Nein! Es ist ein anderer Weg, länger zwar, aber sicherer.“
„Es ist anders hier“, sagte Hockster, „unheilvoller! Woran liegt das?“
„Die Wände haben Augen“, flüsterte Tippet. „Schaut nicht hin, sonst saugen sie Euch das bisschen
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