Der dritte Mond
stieß sich vom Pult ab und drehte sich in einer kompliziert anmutenden Bewegung herum. Seine Hände zitterten immer noch, bewegten sich aber trotzdem mit erstaunlicher Präzision und Schnelligkeit über das Pult. Das Ergebnis seiner Bemühungen entsprach allerdings genau dem, was Charity erwartete: Nach zwei oder drei Minuten richtete der Techniker sich wieder auf und schüttelte den Kopf. »Tot«, sagte er. »Was haben Sie erwartet?« fragte Drasko. »Wahrscheinlich haben sie das ganze verdammte Teleskop abgeschossen.« »Kaum«, antwortete Charity. »So dumm sind sie nicht.« »Dumm?« »Warum sollten sie wertvolle Hardware zerstören, wenn ein simpler Störimpuls reicht?« Charity schüttelte in einer müde anmutenden Bewegung den Kopf. »Sie wollen uns nicht vernichten, Gouverneur. Sie wollen uns besiegen. Das ist ein Unterschied.« »Das müssen Sie mir bei Gelegenheit erklären«, sagte Drasko. »Bei Gelegenheit, ja«, mischte Hartmann sich ein. »Aber nicht jetzt. Ich schlage vor, wir lassen erst einmal eine Putzkolonne hier herein, und anschließend jemanden, der mit einem Lötkolben umzugehen versteht. Treffen wir uns in zwei Stunden… am besten in Ihrem Büro, Gouverneur. Meine Räume sind im Moment leider auch nicht in einem besonders guten Zustand.« Drasko wollte widersprechen, doch Hartmann gab ihm gar keine Gelegenheit dazu, sondern drehte sich auf dem Absatz herum und ging zum Aufzug. Charity und Skudder folgten ihm. Die Türen öffneten sich fast augenblicklich, als Hartmann den entsprechenden Knopf drückte, aber Charity war nicht die einzige, die ein mulmiges Gefühl hatte, als sie die Kabine betrat. Auch Skudder und Hartmann zögerten merklich, als hätten sie Angst, sich nicht in der Aufzugkabine, sondern auf der luftlosen Oberfläche des Mars wiederzufinden. Charity warf Hartmann einen beinahe schon beschwörend-fragenden Blick zu, doch er ignorierte ihn einfach. Erst als sie nicht nur den Lift, sondern das gesamte Gebäude verlassen hatten, brach Hartmann endlich sein Schweigen: »Ist euch eigentlich klar, was gerade passiert ist?« »Nein«, antwortete Skudder. »Warum erklärst du es uns nicht?« Es kam Charity fast schon lächerlich vor, aber Hartmann sah sich tatsächlich nach beiden Seiten um, ehe er antwortete. »Es ist schlimmer, als wir dachten.« »Ach?« fragte Charity spöttisch. Hartmann blieb ernst. »Habt ihr eigentlich überhaupt nichts begriffen?« fragte er. »In einem Punkt hat Drasko hundertprozentig recht, so ungern ich es zugebe. Das gerade war kein Zufall!« »Wie meinst du das?« fragte Charity. »Redest du von Gurk oder von der Bildstörung?« Der plötzliche, feindselige Unterton in ihrer Stimme erschreckte sie selbst, doch Hartmann schien ihn gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. »Von beidem«, antwortete er. »Vielleicht. Ich weiß es nicht, verdammt. Aber es kann kein Zufall sein. Drasko hat recht. Sie haben verdammt schnell reagiert.« »Du meinst… sie haben uns abgehört.« Charity brachte es auf den Punkt. »Jedes Wort«, bestätigte Hartmann. »Ich verwette meine rechte Hand, daß wir eine Wanze finden, wenn wir den Kontrollraum auseinanderschrauben.« »Oder Gouverneur Drasko einer Leibesvisitation unterziehen«, fügte Skudder hinzu. Charity – und selbst Hartmann – schauten ihn überrascht an, und Skudder hob in einer besänftigenden Geste die Hände. »Seht mich nicht so vorwurfsvoll an. Ich habe diesem Kerl nie getraut. Und ihr auch nicht, wenn ihr ehrlich seid.« »Jetzt übertreibst du«, sagte Charity. »Ich würde Drasko nie heiraten, aber ein Verräter ist er bestimmt nicht.« »Wieso?« »Du weißt, wo er herkommt«, antwortete Charity. »Von den USA abgesehen hat Osteuropa wahrscheinlich am meisten unter den Moroni gelitten. Drasko ist ein Widerling und ein Trottel, aber er würde sich eher die Hände abhacken lassen, als mit einer außerirdischen Macht zusammenzuarbeiten.« »Und wenn es keine Außerirdischen sind?« Skudder machte eine komplizierte Handbewegung. »Hast du vergessen, was Gurk gesagt hat? Das hier ist eine Familienangelegenheit. Was glaubst du wohl, hat er damit gemeint?« Charity hatte keine Ahnung. Aber sie hätte in diesem Moment wahrscheinlich ihre rechte Hand für die Antwort auf diese Frage gegeben.
Kapitel 7
Das Geschöpf war riesig; zwei Meter groß, wenn nicht größer. Es sah nicht wirklich aus wie eine Ameise, ähnelte diesem irdischen Insekt aber hinlänglich genug, um
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