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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Formlose, dunkle Umrisse bedeckten sie, so weit der Blick reichte, und die Luft auf der anderen Seite der Tür mußte viel dünner sein als hier drinnen, denn die Türen waren kaum aufgeglitten, da begann sich ein wahrer Sturm zu erheben, der in die Liftkabine hineinfauchte. Allerdings verschwendete Charity keinen einzigen Gedanken daran. Es wäre möglicherweise ihr letzter gewesen… Aus dem Aufzug stürzten zwei riesige, in schwarze Kampfanzüge gehüllte Gestalten. Ihre beeindruckende Größe ließ sie plump erscheinen, aber sie waren es ganz und gar nicht, sondern bewegten sich im Gegenteil mit fast übermenschlicher Schnelligkeit. Einen von ihnen griff sofort und kompromißlos die beiden Soldaten an, die Gurk flankierten, während sich der andere unverzüglich auf den Zwerg selbst stürzte. Doch trotz seiner übermenschlichen Schnelligkeit verfehlte er Gurk, denn der Zwerg duckte sich blitzschnell unter den zupackenden Händen des Riesen hindurch und flitzte zur Seite. Selbst Charity, die gewußt hatte, wie schnell Gurk sein konnte, war überrascht. Hätte er auch nur eine einzige Sekunde mehr gehabt, wäre er dem Angreifer vielleicht sogar entwischt. Aber diese Sekunde hatte er nicht. Aus dem Sturm, der in die Liftkabine hineinströmte, wurde ein Orkan. Charity bekam schlagartig keine Luft mehr; zugleich wurde sie aus dem Gleichgewicht und auf die Aufzugtüren zu gerissen. Während sie mit verzweifelt rudernden Armen darum kämpfte, nicht die Balance zu verlieren, mußte sie hilflos zusehen, wie die beiden Soldaten rechts und links des Aufzugs in die luftleere rote Einöde auf der anderen Seite gezerrt und meterweit davongeschleudert wurden. Sie stürzte. Der keuchende Schmerzensschrei, der über ihre Lippen kam, verbrauchte auch noch das letzte bißchen Luft in ihren Lungen. Haltlos schlitterte sie weiter auf den Lift zu, griff ebenso verzweifelt wie erfolglos um sich, um irgendwo Halt zu finden und sah, wie auch einer der Techniker von dem furchtbaren Luftsog gepackt und weggerissen wurde. Dann war es vorbei. Schlagartig. Charitys haltlose Rutschpartie endete knapp zwei Meter vor den Aufzugtüren. Überall rings um sie herum stürzten Männer zu Boden und rangen qualvoll und verzweifelt nach Luft. Nur die beiden Angreifer, geschützt durch ihre Anzüge, waren noch auf den Beinen. Einer von ihnen packte Gurk, der wie alle anderen zu Boden gefallen war, und zerrte ihn auf den Aufzug zu. Der andere Hüne folgte ihm rückwärts gehend, die Waffe im Anschlag. Nicht, daß es nötig gewesen wäre. Niemand hier drinnen war noch auf den Beinen, geschweige denn in der Lage, die beiden anzugreifen. Selbst Skudder war auf die Knie gesunken und hatte beide Hände gegen den Hals geschlagen. Sein weit aufgerissener Mund schnappte verzweifelt nach Luft, die es nicht mehr gab. Die beiden Fremden und Gurk verschwanden in der Liftkabine, und einen Sekundenbruchteil später verschwanden sie tatsächlich, zusammen mit der roten Einöde und dem falschfarbenen Himmel. Charity war nicht sicher, ob sie wirklich sah, was passierte, oder ob ihre schwindenden Sinne ihr bereits einen Streich spielten, aber für einen winzigen, unendlich kurzen Moment schien sich die Wirklichkeit jenseits der Türen zu verbiegen, als würde die Welt sich in verschiedenen Richtungen zusammenfalten – Richtungen, von denen es mehrere überhaupt nicht gab –, bis Charity schließlich wieder auf das grau lackierte Metall der Aufzugkabine starrte. Die Türen begannen sich zu schließen. Charity kämpfte mit aller Kraft darum, nicht das Bewußtsein zu verlieren. Es war noch nicht vorbei. Es gab kein Loch mehr in der Wirklichkeit, durch das der Sauerstoff entwich, aber die wenigen Sekunden hatten bereits ausgereicht, um in der Kontrollzentrale ein Beinahe-Vakuum zu erzeugen. Charitys Lungen schrien immer verzweifelter nach Luft. Ihre Trommelfelle knackten. Alles drehte sich um sie, und sie spürte, wie der Druck ihre Augen aus den Höhlen quellen ließ. Die Metallgitter der Klimaanlage explodierten funkensprühend, und irgendwo brach Feuer aus und erlosch augenblicklich wieder, als die Flammen keinen Sauerstoff bekamen. Irgendwie gelang es Charity, bei Bewußtsein zu bleiben. Der rapide Druckabfall hatte sie nahezu taub werden lassen, so daß sich alles in unheimlicher Lautlosigkeit abzuspielen schien, doch sie sah zumindest, daß der Luftstrom aus den Klimaschächten Papier und Trümmerstücke durcheinander-wirbelte. Die Atmosphäre im Raum

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