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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sagte Skudder. Offensichtlich hatte er ihr Schweigen richtig gedeutet. »Du willst doch nicht etwa auf diesem Ding landen?« »Ich dachte, wir wären hier, um ein paar Geheimnisse zu lüften«, entgegnete Charity. »Wenn ich mich richtig erinnere, hast du darauf bestanden, mich zu begleiten.« »Zum Mars, ja!« antwortete Skudder heftig. »Nicht zu diesem… Etwas! Ich bin mitgekommen, um dich genau von dieser Art Wahnsinn abzuhalten!« »Dann hast du versagt«, antwortete Charity ruhig. Bevor Skudder erneut und wahrscheinlich noch lauter widersprechen konnte, streckte sie den Arm aus und berührte eine x-beliebige Taste auf dem Kontrollpult. Das Ergebnis entsprach genau ihren Erwartungen: nichts. Die Instrumente des Schiffes waren tot. »Verdammt«, fluchte Skudder. »Du sagst es«, entgegnete Charity fröhlich. »Aber mach dir keine Sorgen. Sollten wir Schwierigkeiten bekommen, verwickelst du unsere Freunde einfach in eine Diskussion. Selbst wenn du sie nicht zu Tode quasselst, verlassen sie wahrscheinlich nach spätestens einer Stunde fluchtartig diesen Teil der Galaxis.« »Sehr witzig«, sagte Skudder. »Dazu kann ich nur sagen –« »Skudder!« Die nächsten drei oder vier Minuten verbrachten sie in völligem Schweigen. Charity hatte das Gefühl, daß die Stingray langsamer wurde, während sie sich dem Giganten näherte, und ihre Aufmerksamkeit wurde voll und ganz von dem Anblick in Anspruch genommen, der sich ihr bot. Je näher sie dem Giganten kamen, desto mehr bizarre Einzelheiten konnten sie erkennen. Seine Oberfläche war nicht glatt, sondern so zerrissen und zerfurcht, daß sie nicht einmal mehr sicher waren, es tatsächlich mit einer einzigen, kompakten Masse zu tun zu haben. »Dort!« »Ich sehe es.« Charity nickte nervös. Einer der riesigen Schlünde unter ihnen begann sich zu verändern. Seine Ränder zuckten und warfen für eine oder zwei Sekunden Falten, in denen man die Stingray bequem hätte verbergen können. Dann tat sich plötzlich eine riesige, von dunkelroter Düsternis erfüllte Öffnung unter ihnen auf. Charity wäre kein bißchen überrascht gewesen, hätte plötzlich ein gigantischer Tentakel oder eine Zunge aus diesem Riesenmaul heraus nach ihnen gegriffen, doch die restlichen Sekunden ihrer Reise verliefen viel undramatischer: Die Stingray schwenkte wie von Geisterhand bewegt herum und glitt lautlos in die Öffnung im Rumpf des Zonenschiffes hinein. »Jetzt weiß ich endlich, wie Cinderella sich gefühlt haben muß«, sagte Skudder. »Wer?« »Der Zwerg mit der langen Nase, der von einem Haifisch gefressen wurde.« »Sein Name war Pinocchio, und es war ein Wal«, seufzte Charity. Doch Skudder hatte durchaus recht. Der Vorgang hatte etwas von Gefressenwerden an sich. Die Halle, in der sie schwebten, war gigantisch, gute fünfzig Meter hoch und mindestens fünf-, sechsmal so lang. Wände und Decke bestanden aus riesigen, vielfach untergliederten Rippenbögen, die einer sonderbar eleganten Architektur folgten. Selbst das Licht wirkte lebendig: warm, rot und auf eine schwer zu beschreibende Weise beschützend. Die Stingray glitt etwa zur Hälfte in den Hangar hinein, wurde dabei immer langsamer und sank gleichzeitig weiter zu Boden. Es war nicht das einzige Schiff hier drinnen. Charity entdeckte mindestens ein halbes Dutzend der rochenförmigen Jäger, die alle eines gemein hatten: Sie alle waren mehr oder weniger stark beschädigt. Die meisten mehr. Zwei der Maschinen waren kaum mehr als Schrotthaufen. »Das sieht nicht gut aus«, sagte Skudder. »Was hast du erwartet?« fragte Charity. »Wahrscheinlich kommen alle Schiffe hierher, die die Rücksturzautomatik aktivieren.« »Dann sollten wir vielleicht froh sein, daß wir nicht gleich in einer riesigen Schrottpresse gelandet sind«, murmelte Skudder. Noch leiser fügte er hinzu: »Sofern es nicht tatsächlich der Fall ist, heißt das.« Charity plagte eine ganz andere Sorge. Beschädigte Schiffe bedeuteten zumeist auch verwundete Piloten. Sie fragte sich, was sie tun sollten, wenn sie sich plötzlich dem hiesigen Äquivalent einer Erste-Hilfe-Mannschaft gegenübersahen. Die Stingray setzte zwischen zwei stark beschädigten Raumjägern auf. Das Schiff war zwar ohne Hilfe der Triebwerke an Bord geholt worden, doch Charity konnte regelrecht spüren, wie die unsichtbare Macht erlosch, die sie bisher bewegt hatte. Zurück blieb trotzdem etwas. Charity hatte nach wie vor das Gefühl, von etwas Gigantischem,

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