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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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trauten die Fremden Draskos Friedensbeteuerungen nicht unbedingt. Charity hätte es an ihrer Stelle wohl ebensowenig getan. Das einzelne Schiff umkreiste die HOME RUN in respektvollem Abstand zwei-, dreimal, setzte sich schließlich vor ihren Bug und bremste allmählich ab. Das viel größere Schiff hielt stur Kurs und Geschwindigkeit bei. Offensichtlich stufte der Computer den Jäger nicht als ernstzunehmende Gefahr ein. Der Pilot der Stingray wartete, bis die HOME RUN auf weniger als einen Kilometer heran war, dann gab er einen einzelnen, gezielten Schuß ab. Ohne ein Medium war der Laserblitz selbst fast unsichtbar, aber Charity sah, wie ein Teil des zerklüfteten Bugs der HOME RUN plötzlich dunkelrot aufloderte. Dann sprühte eine Fontäne aus geschmolzenem Metall ins All hinaus, weniger als eine Sekunde später gefolgt von einer Wolke aus brodelnden weißen Eiskristallen – Sauerstoff, der durch ein Leck im Rumpf entwich und in der Weltraumkälte augenblicklich gefror. »Hoffentlich hat Gouverneur Drasko einen Helm eingepackt«, sagte Skudder. »Sonst erlebt er eine böse Überraschung, wenn er aus seinem Tank steigt.« Charity sagte nichts dazu. Sie hoffte, daß Drasko und die zwölf anderen Besatzungsmitglieder der HOME RUN überhaupt noch einmal erwachen würden. Gleichzeitig sagte sie sich, daß eine sofortige Zerstörung der HOME RUN vollkommen sinnlos wäre. Hätten die Fremden das gewollt, hätten sie es bereits getan. Die HOME RUN hielt mit computergesteuerter Beharrlichkeit weiter auf die Stingray zu. Im buchstäblich allerletzten Moment wich der Jäger dem heranrasenden Schiff aus, so schnell und mit einem Manöver, daß Charity ungläubig die Augen aufriß und Skudder hinter ihr erschrocken die Luft einsog. »Großer Gott!« murmelte er. »Hast du das gesehen?« »Ja«, antwortete Charity. »Aber ich glaube es trotzdem nicht.« Ihre Gedanken rasten. Was sie gerade beobachtet hatten, war praktisch unmöglich. »Das muß ein anderes Modell sein als die, gegen die wir gekämpft haben«, sagte Skudder. Es klang nicht sehr überzeugend. Viel mehr wie etwas, das er sich beinahe verzweifelt einredete, weil er es glauben wollte.  Charity verstand das Entsetzen in Skudders Stimme nur zu gut. Hätten sie vor drei Monaten gegen Maschinen wie diese dort gekämpft, wäre die Schlacht anders ausgegangen. Sie verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf das Geschehen drüben bei der HOME RUN. Auch der Rest der kleinen Flotte kam jetzt näher. Wie Skudder gesagt hatte, identifizierte sie zwei weitere Stingrays, zwei klobige, plump erscheinende Shuttles sowie ein Schiff, das ein gutes Stück größer als die anderen war und nur aus Antennen, Sonnenkollektoren und Waffen zu bestehen schien. »Ich nehme alles zurück«, sagte Skudder. »Sie haben doch Respekt vor uns.« »Verdammt, Skudder, tu mir einen Gefallen, und sei ein paar Augenblicke still! Ich muß nachdenken!« Skudder war natürlich nicht still. »Verratet Ihr mir auch, worüber Ihr nachzudenken wünscht, große Herrin?« »Zum Beispiel darüber, was wir jetzt tun sollen, Rothaut«, sagte Charity. »Du kannst alle unsere Pläne vergessen, ist dir das schon aufgefallen?« Skudders Schweigen war Antwort genug. Sie hatten verschiedene alternative Vorgehensweisen erwogen, die aber im Endeffekt fast alle auf das Gleiche hinausliefen: Sie hatten vorgehabt, einen der feindlichen Jäger abzuschießen und seine Stelle einzunehmen, um auf diese Weise direkt in die gegnerische Basis zu gelangen. »Ihre Instrumente haben keine sehr viel größere Reichweite als unsere«, sagte Skudder. »Wahrscheinlich können wir ihnen folgen, ohne daß sie es merken.« Eine halbe Million Kilometer weit? Charity machte sich nicht einmal die Mühe, auf Skudders Vorschlag zu antworten. Sie blickte schweigend weiter aus dem Cockpit und beobachtete, wie die beiden Shuttles nebeneinander an der HOME RUN andockten. Mehr konnte sie nicht erkennen, dazu war die Entfernung zu groß. Aber es war nicht besonders schwierig, sich den Rest zusammenzureimen: Die Fremden schickten ein Enter-kommando an Bord der HOME RUN. Drasko und seine Leute würden eine Überraschung erleben, wenn sie aus dem Kälteschlaf erwachten. Allerdings keine sonderlich angenehme. »Hoffentlich kommen sie nicht auf die Idee, das Schiff zu gründlich zu durchsuchen«, sagte sie. »Wenn sie unser Versteck entdecken, sitzen wir in der Tinte.« »Noch tiefer?« »Noch tiefer«,

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