Der dritte Schimpanse
Funde. Da es bereits zahlreiche Veröffentlichungen mit sehr detaillierten Beschreibungen von Skelettfunden gibt, wird es mir vor allem um die Folgerungen gehen, die sich aus Knochen und Werkzeugen ziehen lassen.
Der Lebensraum unserer Vorfahren war für Millionen von Jahren auf Afrika beschränkt, wo sie sich vor sechs bis zehn Millionen Jahren von den Vorfahren der Schimpansen und Gorillas in ihrer Entwicklung trennten. Zum Vergleich : Das Leben auf der Erde entstand vor mehreren Jahrmilliarden, und das Aussterben der Dinosaurier liegt rund 65 Millionen Jahre zurück. Sciencefiction-Filme, in denen Höhlenmenschen vor Dinosauriern fliehen, haben also mit der Realität nichts gemein. Am Anfang wären unsere Vorfahren sicher als eine von mehreren Menschenaffenarten eingestuft worden, doch drei aufeinanderfolgende Veränderungen brachten uns auf den Weg zur modernen Menschheit. Die erste dieser Veränderungen ereignete sich vor rund vier Millionen Jahren, als unsere Vorfahren, wie Skelettfunde belegen, anfingen, auf den hinteren Gliedmaßen zu gehen. Im Unterschied dazu laufen Gorillas und Schimpansen nur gelegentlich aufrecht, sondern in der Regel auf allen vieren. Durch den aufrechten Gang wurden die vorderen Gliedmaßen unserer Vorfahren für andere Zwecke frei, von denen sich die Herstellung von Werkzeugen als der wichtigste erwies. Die zweite Veränderung erfolgte vor etwa drei Millionen Jahren mit der Aufspaltung der Menschenlinie in mindestens zwei verschiedene Arten. Zum besseren Verständnis sei daran erinnert, daß zwei Tierarten, die im gleichen Gebiet leben, unterschiedliche ökologische Rollen einnehmen müssen und sich in der Regel nicht untereinander paaren. So sind Kojoten und Wölfe offensichtlich enge Verwandte ; bis zur weitgehenden Ausrottung der Wölfe in den USA lebten sie in vielen Gegenden Nordamerikas nebeneinander. Wölfe sind jedoch von größerer Statur, jagen hauptsächlich Groß-säugetiere wie Rehe und Elche und leben oft in großen Rudeln, während Kojoten kleiner sind, vor allem Kleinsäuger wie Kaninchen und Mäuse jagen und paarweise oder in kleinen Rudeln auftreten. In der Regel paaren sich Kojoten mit Kojoten und Wölfe mit Wölfen. In Europa sind Wildkatze und Luchs enge Verwandte, die oft im selben Gebiet leben, sich aber anders an ihre Umwelt angepaßt haben und sich nicht miteinander paaren.
Im Gegensatz dazu kam es bei allen heutigen menschlichen Populationen zu Kreuzungen mit allen anderen, zu denen umfassender Kontakt bestand. Unterschiede in der Umweltspezialisierung sind gänzlich ein Produkt der Erziehung, da es sich ja nicht so verhält, daß einige von uns mit scharfen Zähnen und besonderer biologischer Ausstattung für die Rotwildjagd auf die Welt kommen, während andere vielleicht Mahlzähne besitzen, Beeren sammeln und auf keinen Fall Rotwildjäger heiraten würden. Deshalb sind auch alle modernen Menschen Angehörige derselben Spezies.
Ein- oder zweimal kam es in der Vergangenheit jedoch vor, daß sich unsere Vorfahren in verschiedene Arten auseinanderentwickelten, die so unterschiedlich waren wie Wölfe und Kojoten. Die jüngste dieser Trennungen, auf die ich später zurückkommen werde, mag sich zur Zeit des großen Sprungs vollzogen haben. Die ältere erfolgte vor rund drei Millionen Jahren, und zwar in einen Affenmenschen mit robustem Schädel und sehr gro-ßen Backenknochen, der sich wahrscheinlich von einfacher Pflanzenkost ernährte und oft als Australopithecus robustus (etwa »robuster südlicher Affe«) bezeichnet wird, und in einen Affenmenschen mit leichter gebautem Schädel und kleineren Zähnen, der sich vermutlich sowohl von Fleisch als auch von Pflanzen ernährte und Australopithecus africanus (»afrikanischer südlicher Affe«) genannt wird. Aus letzterem entwickelte sich eine Form mit einem größeren Hirnvolumen, die den Namen Homo habilis (»der geschickte Mensch«) erhielt. Die Skelettfunde angeblicher männlicher und weiblicher Homo habilis unterscheiden sich jedoch in der Schädel- und Zahngröße so sehr voneinander, daß es in Wirklichkeit eine weitere Gabelung in unserer Entwicklung gegeben haben mag, mit dem Resultat zweier habilis- Arten:dem Homo habilis selbst und einem rätselhaften »Dritten«. Vor zwei Millionen Jahren gab es also mindestens zwei, wenn nicht drei urmenschliche Arten.
Die dritte und letzte der großen Veränderungen, die unsere Vorfahren allmählich
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