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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Aminosäure in ei­nem solchen Teil durch eine chemisch unähnliche Ami­nosäure ersetzt, dürfte sich eine beobachtbare Folge ein­stellen. So ist beispielsweise die Sichelzellenanämie, eine Krankheit mit oft tödlichem Verlauf, das Ergebnis einer Veränderung der Löslichkeit unseres Hämoglobins, die wiederum aus einer Veränderung in nur einer der 287 Aminosäuren des Hämoglobins resultiert, die ihrerseits auf eine Veränderung in nur einer der drei diese Ami­nosäure definierenden Nukleotide zurückgeht. Hier­durch wird jedoch eine Aminosäure mit negativer La­dung durch eine ohne Ladung ersetzt, was zur Folge hat, daß sich die elektrische Gesamtladung des Hämoglobin-Moleküls ändert.
    Während wir also im Hinblick auf die entscheiden­den Gene noch im Dunkeln tappen, gibt es viele Bei­spiele für die große Wirkung, die einzelne oder meh­rere Gene haben können. Auf die zahlreichen auffälli­gen Unterschiede zwischen Tay-Sachs-Patienten und Gesunden, die alle auf eine einzige Veränderung in ei­nem Enzym zurückgehen, habe ich bereits hingewiesen. Dabei handelt es sich um ein Beispiel für Unterschiede zwischen Angehörigen der gleichen Spezies. Für Unter­schiede zwischen verwandten Arten bieten die Maul­brüterfische der Familie Cichlidae im ostafrikanischen Victoriasee ein sehr anschauliches Beispiel. Die belieb­ten Aquariumsfische, von denen etwa 200 Arten nur in dem einen See vorkommen, entwickelten sich vermut­lich in den letzten 200 000 Jahren von einem einzigen Ahnen. Die heutigen 200 Arten unterscheiden sich in ihren Ernährungsgewohnheiten voneinander nicht we­niger als Kühe von Tigern. Manche fressen Algen, an­dere sind Raubfische, wieder andere leben von Schnecken, Plankton, Insekten und den Schuppen anderer Fi­sche oder haben sich auf den Raub von Fischembryos spezialisiert. Sämtliche dieser Arten im Victoriasee un­terscheiden sich jedoch nach Untersuchungsergebnissen im Durchschnitt um nur 0,4 Prozent ihrer DNS. Das be­deutet, daß weniger genetische Mutationen erforderlich waren, um aus einem Schneckenfänger einen Babykiller zu machen, als Menschen aus Menschenaffen.
    Wir wollen nun fragen, ob die gewonnenen Erkenntnis­se über unseren genetischen Abstand vom Schimpansen nur für die Klassifikation von Bedeutung sind oder auch darüber hinaus. Am wichtigsten dürften hier die Folgen für unsere Vorstellung vom Platz des Menschen und der Menschenaffen im Universum sein.
    Bezeichnungen sind über ihre Zweckmäßigkeit hinaus auch Ausdruck und Ursache von Einstellungen. (Über­zeugen Sie sich selbst, indem Sie Ihren Partner einmal statt mit »Liebling« im gleichen Tonfall mit »Du Schwein« anreden !) Die jüngsten Erkenntnisse über die genetische Nähe zwischen Menschen und Menschenaffen werden unsere Einstellungen sicher nachhaltig beeinflussen, aber wie bei den von Darwin in seinem Werk Über die Entste­hung der Arten dargelegten Erkenntnissen wird es wohl viele Jahre dauern, bis es zur Übereinstimmung über die genauen Folgen kommt. Ich will nur ein kontroverses Thema nennen, das davon betroffen sein könnte: den Ge­brauch, den wir von Menschenaffen machen.
    Zur Zeit gehen wir von einem grundsätzlichen Unter­schied zwischen Tieren (einschließlich der Menschenaf­fen) und Menschen aus und lassen uns davon in unserem moralischen Urteil und Handeln leiten. Wie am Kapi­telanfang bereits erwähnt, wird die Haltung von Men­schenaffen in Zookäfigen nicht beanstandet, während das gleiche mit Menschen undenkbar wäre. Ich frage mich, wie die Öffentlichkeit wohl reagieren würde, wenn das Schild am Schimpansenkäfig die Aufschrift »Homo troglodytes« trüge. Andererseits leisten Zoos auch einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Menschenaffen in ih­ren Lebensräumen, da ohne die Sympathie und das In­teresse, das viele von uns erst durch Zoobesuche gewin­nen, die Spendenbereitschaft noch geringer und die Ar­beit von Naturschutzverbänden noch schwieriger wäre.
    Wie ebenfalls bereits erwähnt, gilt es als zulässig, mit Menschenaffen, nicht jedoch mit Menschen, gegen ihren Willen medizinische Experimente mit zuweilen tödli­chem Ausgang durchzuführen. Das Motiv ist hierbei ge­rade, daß uns Menschenaffen genetisch so sehr ähneln. Mit vielen unserer Krankheiten können auch sie sich infizieren, und ihre Körper reagieren ähnlich auf die Krankheitserreger wie unsere. Deshalb sind Versuche an Menschenaffen viel aussichtsreicher als Versuche mit an­deren

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