Der dritte Schimpanse
mit dem Homo troglodytes anzustellen, nicht jedoch mit dem Homo sapiens ?Und wird man umgekehrt Eltern, deren Kind an einer tödlichen, zur Zeit an Schimpansen untersuchten Krankheit leidet, überzeugen, daß das Leben ihres Kind nicht so wichtig ist wie das von Schimpansen ? Letzten Endes müssen schwierige Entscheidungen dieser Art von der breiten Öffentlichkeit und nicht nur von der Wissenschaft getroffen werden. Gewiß ist nur, daß unsere Einstellung zu Menschen und Menschenaffen unsere Entscheidungen bestimmen wird.
Und schließlich werden unsere Ansichten über Menschenaffen auch darüber entscheiden, ob sie überhaupt in der Natur überleben können. Die Gefahr für ihre Populationen geht heute vor allem von der Zerstörung der Regenwälder in Afrika und Asien und der legalen und illegalen Gefangennahme und Tötung aus. Sollten sich die bestehenden Trends fortsetzen, wird es Berggorillas, Orang-Utans, Schopfgibbons, Zwergsiamangs und vielleicht eine Reihe weiterer Menschenaffen in 15 bis 20 Jahren nur noch in Zoos geben. Es genügt nicht, an das moralische Pflichtgefühl der Regierenden in Uganda, Zaire und Indonesien zu appellieren und sie aufzufordern, die noch wild lebenden Menschenaffen zu schützen. Diese Länder sind arm, und die Einrichtung und Unterhaltung von Nationalparks ist ein kostspieliges Unterfangen. Wenn wir Menschen, als »dritter Schimpanse«, zu der Auffassung gelangen, daß die beiden anderen Schimpansen es wert sind, gerettet zu werden, so müssen die reicheren Länder den Hauptteil der Kosten übernehmen. Aus der Perspektive der Menschenaffen geht es also bei allem, was wir aus der Geschichte der drei Schimpansen gelernt haben, in erster Linie um unsere Bereitschaft, diese Rechnung zu begleichen.
Kapitel 2
Der große Sprung nach vorn
Nach der Abspaltung unserer Ahnenlinie von der der Menschenaffen vor Jahrmillionen unterschied sich un sere Lebensweise die meiste Zeit über nicht wesentlich von der der Schimpansen. Noch vor 40 000 Jahren war Westeuropa von den Neandertalern besiedelt, primitiven Geschöpfen, die mit Kunst und Fortschritt kaum etwas im Sinn hatten. Dann geschah ein abrupter Wandel, als anatomisch moderne Menschen in Europa auf den Plan traten und Kunst, Musikinstrumente, Lampen, Handel und Fortschritt mitbrachten. Binnen kurzer Zeit waren die Neandertaler verschwunden.
Wahrscheinlich war der »große Sprung nach vorn« in Europa die Folge eines ähnlichen Entwicklungssprungs, der im Laufe der Jahrzehntausende zuvor im Nahen Osten und in Afrika stattgefunden hatte. Selbst ein paar Dutzend Jahrtausende sind jedoch nur ein winziger Bruchteil (weniger als ein Prozent) unserer langen Geschichte, seit wir uns von den Affen abspalteten. Sofern man überhaupt von einem bestimmten Zeitpunkt als dem unserer Menschwerdung sprechen kann, so war es der dieses Entwicklungssprunges. Nur ein paar Dutzend weitere Jahrtausende genügten uns, um Tiere zu domestizieren, die Landwirtschaft und Metallurgie zu entwickeln und die Schrift zu erfinden. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt zu den Wahrzeichen unserer Zivilisation, die eine scheinbar unüberwindliche Kluft zwischen Mensch und Tierreich errichteten – Wahrzeichen wie die Mona Lisa und die Eroica-Sinfonie, der Eiffelturm und die Sputnik-Satelliten, die Öfen von Auschwitz und die Bombardierung Dresdens.
Es geht in diesem Kapitel um die Fragen, die mit unserem abrupten Aufstieg aus dem Tierreich verbunden sind. Was ermöglichte ihn, und warum kam er so plötzlich ? Was hielt die Neandertaler zurück, und welches Schicksal erfuhren sie ? Stießen Neandertaler und moderne Völker je aufeinander ? Wenn ja, wie verhielten sie sich zueinander?
Es ist nicht leicht, den »großen Sprung« zu begreifen, geschweige denn, darüber zu schreiben. Unsere direkten Kenntnisse basieren nur auf den Details von Skeletten und Steinwerkzeugen. In den Berichten von Archäologen wimmelt es leider von Ausdrücken und Begriffen, die kaum jemand versteht – wie »sagittale Stellung der Darmbeinschaufeln« und »Kyphose im Brustbereich«. Was uns im Grunde interessiert, die Lebensweise unserer verschiedenen Vorfahren und ihre menschlichen Wesenszüge, hinterließ keine direkten Spuren; man kann sie nur aus den technischen Einzelheiten von Skeletten und Werkzeugen erschließen. Es fehlt einfach an Beweisen, und nicht selten streiten die Archäologen auch noch über die Bedeutung konkreter
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