Der dritte Schimpanse
und Bogen lagen noch Hunderttausende von Jahren in der Zukunft . Die verwendeten Steinwerkzeuge blieben von der gleichen groben Machart, wie sie vom Homo erectus seit fast einer Million Jahre bekannt waren. Das zusätzliche Hirnvolumen jenes frühen Homo sapiens hatte keinen drastischen Einfluß auf seine Lebensweise. Die gesamte Zeitspanne, in der sich Homo erectus und früher Homo sapiens außerhalb Afrikas ausbreiteten, war eine Zeit unendlich langsamen kulturellen Wandels. Der einzige wichtige Fortschritt war vermutlich die Beherrschung des Feuers, wofür Höhlen des Peking-Menschen eines der frühesten Indizien in Form von Asche, Holzkohle und verbrannten Knochen liefern. Und selbst dieser Fortschritt – falls die Höhlenfeuer tatsächlich vom Menschen entfacht waren und nicht von der Natur – wäre dem Homo erectus zuzuschreiben, nicht dem Homo sapiens .
Somit veranschaulicht das Auftauchen des Homo sapiens das in Kapitel 1 erörterte Paradoxon : daß unser Aufstieg aus dem Tierreich nicht direkt proportional zu Veränderungen in unserem Erbmaterial verlief. Der frü-he Homo sapiens hatte weitaus größere anatomische als kulturelle Fortschritte auf dem Weg vom Schimpansenzum Menschentum gemacht. Es mußte noch Entscheidendes hinzukommen, bis der dritte Schimpanse daran denken konnte, die Sixtinische Kapelle zu bemalen.
Wie und wovon lebten unsere Vorfahren während der eineinhalb Millionen Jahre, in denen Homo erectus und Homo sapiens auf den Plan traten?
Die einzigen erhaltenen Werkzeuge aus dieser Periode sind Steinwerkzeuge, die bestenfalls als sehr klobig zu beschreiben sind, vergleicht man sie mit den schönen polierten Steinwerkzeugen, die bis vor kurzem von Polynesiern, Indianern und anderen modernen Steinzeitvölkern hergestellt wurden. Die frühen Steinwerkzeuge sind von unterschiedlicher Größe und Form, nach denen die Archäologen ihnen verschiedene Bezeichnungen wie »Handaxt«, »Hackmesser« und »Hackbeil« gegeben haben. Diese Namen täuschen darüber hinweg, daß keines der frühen Werkzeuge eine genügend gleichmäßige oder charakteristische Form besaß, um auf eine spezielle Funktion hinzudeuten, wie es viel später bei den Nadeln und Speerspitzen der Cro-Magnons der Fall war. Gebrauchsspuren an den Werkzeugen erlauben den Schluß, daß sie abwechselnd zum Schneiden von Fleisch, Knochen, Häuten, Holz und Pflanzenteilen verwendet wurden. Doch anscheinend dienten für die gleichen Zwecke Werkzeuge der unterschiedlichsten Form und Größe, so daß die Bezeichnungen der Archäologen wenig mehr als pragmatische Einteilungen eines Kontinuums von Steinformen darstellen.
Viele Fortschritte, die durch Funde aus der Zeit nach dem »großen Sprung« belegt sind, waren dem Homo erectus und dem frühen Homo sapiens unbekannt. Es gab keine Knochenwerkzeuge, keine Taue zum Knüpfen von Netzen und keine Angelhaken. Sämtliche frü-hen Steinwerkzeuge wurden vermutlich unmittelbar in der Hand gehalten ; es gibt kein Indiz dafür, daß sie, um Hebelwirkung zu erzielen, an Griffe aus anderem Material montiert wurden, so wie wir heute stählerne Axtblätter mit Holzstielen versehen.
Welche Nahrung sicherten sich die Frühmenschen mit diesen groben Werkzeugen, und wie taten sie das ? An dieser Stelle folgt in anthropologischen Lehrbüchern meist ein langes Kapitel, das etwa überschrieben ist mit »Der Mensch als Jäger«. Wichtig ist hierbei, daß Paviane, Schimpansen und eine Reihe weiterer Primaten gelegentlich kleinere Wirbeltiere jagen, heute noch lebende Steinzeitmenschen (wie die Buschmänner) jedoch oft auf Großwildjagd gehen. Es gibt jede Menge archäologische Indizien dafür, daß die Cro-Magnons das gleiche taten. Auch unsere frühen Vorfahren aßen zweifellos Fleisch, was sich an Spuren ihrer Steinwerkzeuge an Tierknochen und den Gebrauchsspuren zeigt, die das Fleischschneiden an den Werkzeugen hinterließ. Die Frage lautet aber : Wie oft gingen die Frühmenschen auf Großwildjagd ? Verbesserte sich ihr Jagdgeschick während der vergangenen Million bis einer halben Million Jahre Schritt um Schritt, oder begann die Jagd erst nach dem »großen Sprung«, einen wichtigen Beitrag zur Ernährung zu leisten ?
Auf diese Frage antworten Anthropologen regelmäßig, wir seien schon lange erfolgreiche Großwildjäger gewesen. Die vermeintlichen Beweise stammen hauptsächlich von drei archäologischen Stätten, an denen vor rund
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