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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Archäologen schrecken vor die­sem Schluß jedoch zurück und verweisen auf veränderte Umweltbedingungen. So heißt es in der 15. Ausgabe der Encyclopedia Britannica : »Das Verschwinden der Nean­dertaler läßt sich zwar noch nicht genau datieren, es hat­te aber vermutlich seine Ursache darin, daß es sich um Geschöpfe der Zwischeneiszeit handelte, die den ver­heerenden Wirkungen einer weiteren Eiszeit nicht ge­wachsen waren.« Fest steht aber, daß die Neandertaler während der letzten Eiszeit ihre Blütezeit erlebten und plötzlich, 30 000 Jahre nach ihrem Beginn und ungefähr ebenso lange vor ihrem Ende, verschwanden.
    Ich vermute, daß sich die Ereignisse in Europa zur Zeit des »großen Sprungs« nicht viel anders abspielten als in vielen anderen Teilen der Welt der Neuzeit, in de­nen ein zahlenmäßig überlegenes Volk mit fortgeschrit­tener Technologie in das Territorium eines zahlenmä-ßig und technologisch unterlegenen Volkes eindrang. Als die europäischen Siedler nach Nordamerika kamen, starben die meisten Indianer an eingeschleppten Krank­heiten. Von den Überlebenden wurden die meisten ent­weder gleich getötet oder von ihrem Land verjagt ; einige übernahmen europäische Technologien (Reitpferde und Gewehre) und leisteten noch eine Zeitlang Widerstand; von den übrigen wurden viele in Gebiete abgedrängt, an denen die Europäer kein Interesse hatten, oder sie gin­gen in Mischehen mit Europäern auf. Die Verdrängung der australischen Ureinwohner durch europäische Ko­lonisten und der südafrikanischen San-Populationen (Buschmänner) durch eisenzeitliche Bantusprecher ver­lief nach ähnlichem Muster.
    Ganz analog dürften die Cro-Magnons mit Krankhei­ten, Mord und Vertreibung das Ende der Neandertaler herbeigeführt haben. Falls dies stimmt, war der Über­gang vom Neandertaler zum Cro-Magnon nur ein Vor­bote dessen, was noch geschehen sollte, wenn erst die Nachfahren der Sieger beginnen würden, gegeneinan­der zu kämpfen. Es mag zunächst paradox klingen, daß die viel muskulöseren Neandertaler den Cro-Magnons unterlegen gewesen sein sollen, aber den Ausschlag gab wohl die Bewaffnung und nicht die Körperkraft. Es sind ja heute auch nicht die Gorillas, die in Zentralafrika die Menschen auszurotten drohen. Wer große Muskelpake­te hat, benötigt viel Nahrung und ist nicht im Vorteil, wenn schlanker gebaute, intelligentere Menschen mit Hilfe von Werkzeugen das gleiche ausrichten können.
    Wie die Prärieindianer von den Weißen, mögen man­che Neandertaler von den Cro-Magnons gelernt und ihnen eine Zeitlang widerstanden haben. Nur so kann ich mir jene rätselhafte, als Châtelperronien bezeichne­te Kultur erklären, die in Westeuropa nach der Ankunft der Cro-Magnons eine kurze Zeit lang parallel zur soge­nannten Aurignacien-Kultur, der eigentlichen Kultur der Cro-Magnons, existierte. Die gefundenen Steinwerkzeu­ge stellen eine Mischung typischer Neandertaler- und Cro-Magnon-Werkzeuge dar, doch es fehlen in der Regel die für letztere typischen Knochenwerkzeuge und Zeug­nisse künstlerischen Schaffens. Die Urheber der châtel­perronischen Kultur waren in Archäologenkreisen lan­ge umstritten, bis sich ein bei Saint-Césaire zusammen mit châtelperronischen Gebrauchsgegenständen ausge­grabenes Skelett als das eines Neandertalers erwies. Es mag also manchen Gruppen von Neandertalern gelun­gen sein, den Umgang mit Cro-Magnon-Werkzeugen zu erlernen und länger zu widerstehen als andere.
    Unklar bleibt der Ausgang des oben geschilderten, bei Science­fiction-Autoren so beliebten Experiments. Kam es nun zur Paarung zwischen vorrückenden Cro-Ma­gnon-Männern und Neandertalerinnen ? Es gibt keine Skelettfunde, die auf solche Kreuzung hinweisen. Sollte das Verhalten der Neandertaler so primitiv und ihr Aus­sehen so prägnant gewesen sein, wie ich vermute, dürf­ten nur wenige Cro-Magnons den Wunsch zur Paarung verspürt haben. Mir sind auch keine Fälle von Paarung zwischen Menschen und Schimpansen bekannt, obwohl beide heute nebeneinander existieren. Die Unterschiede zwischen Cro-Magnons und Neandertalern waren zwar viel geringer, reichten aber vielleicht immer noch aus, um das gegenseitige Verlangen nach engerem Kontakt im Keim zu ersticken. Und falls die Schwangerschaft der Neandertalerinnen zwölf Monate dauerte, hätte ein Mischlingsfötus womöglich nicht überlebt. Aufgrund dieser Überlegungen und fehlender Beweise neige ich zu der Annahme, daß es selten oder nie zur

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