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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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zu treiben, da diese Antilopenart nicht ausgerottet wur­de, sondern weiter neben den Jägern herlebte. Ich neh­me an, daß die Nahrung dieser nicht gar so erfolgrei­chen Jäger der Mittleren Steinzeit in der Hauptsache aus Pflanzen und Kleinwild bestand, wie bei den früheren Menschen und den steinzeitlichen Jägern unserer Tage. Ganz bestimmt waren sie bessere Jäger als Schimpansen, aber mit Buschmännern oder Pygmäen hätten sie sich keinesfalls messen können.
    Vor 100 000 bis etwa 60 000 Jahren ergab sich also etwa folgendes Bild: Nach Nordeuropa, Sibirien, Austra­lien, zu den Inseln Ozeaniens und in die Neue Welt wa­ren noch keine Menschen vorgedrungen. In Europa und Westasien lebten die Neandertaler, in Afrika Menschen, die dem heutigen Menschen anatomisch immer stärker ähnelten, und in Ostasien Menschen, die weder den Ne­andertalern noch den Afrikanern glichen, aber nur von wenigen Skelettfunden her bekannt sind. Alle drei die­ser Populationen waren zumindest anfänglich noch pri­mitiv im Hinblick auf ihre Werkzeuge, ihr Verhalten und ihre begrenzte Innovationsfähigkeit. Die Voraus­setzungen für den »großen Sprung« waren nun vorhan­den. Welche der drei Populationen würde ihn tun ?
    Die deutlichsten Zeichen für einen abrupten Aufstieg stammen aus Frankreich und Spanien, und zwar aus der Spätphase des Eiszeitalters vor rund 40 000 Jahren. Wo zuvor Neandertaler lebten, traten nun Menschen mit völlig moderner Anatomie auf. (Nach der Fundstätte in Frankreich, wo ihre Skelette erstmals identifiziert wur­den, bezeichnet man sie auch als Cro-Magnons.) Würde eines dieser Geschöpfe in moderner Kleidung über den Berliner Kurfürstendamm bummeln, so fiele es unter den übrigen Bewohnern der Stadt in keiner Weise auf. Ebenso faszinierend wie die Skelette der Cro-Magnons sind für Archäologen ihre Werkzeuge, die in Form und Funktion eine wesentlich größere Vielfalt aufwiesen als irgendwelche zuvor. Aus ihnen läßt sich schließen, daß sich zur modernen Anatomie jetzt auch modernes, in­novatives Verhalten gesellt hatte.
    Viele der Werkzeuge waren immer noch aus Stein, doch wurden sie nun aus dünnen, scharfkantigen Stücken angefertigt, die von größeren Steinen abgeschlagen wurden. Zum erstenmal gab es einheitliche Werkzeuge aus Knochen und Geweih. Das gilt auch für mehrtei­lige Werkzeuge, deren einzelne Elemente zusammenge­bunden oder verleimt wurden, zum Beispiel Speerspit­zen auf einem Schaft oder Axtklingen an einem Holz­stiel. Die Werkzeuge fallen in zahlreiche Kategorien mit oft klar erkennbaren Funktionen, wie Nadeln, Ahlen, Mörser und Stößel, Angelhaken, Netzsenkgewichte und Seile. Die für Netze oder Schlingen verwendeten Seile erklären die an Cro-Magnon-Fundstätten oft vorhan­denen Knochen von Füchsen, Wieseln und Hasen, wäh­rend die Seile, Angelhaken und Netzsinkgewichte eine Erklärung für Fischgräten und Knochen von Flugvögeln an Fundstätten in Südafrika liefern.
    Raffinierte Waffen zum Töten gefährlicher Großtiere aus sicherer Entfernung tauchten nun ebenfalls auf– zum Beispiel Harpunen mit Widerhaken, Wurfspie-ße, Speerschleudern und Pfeil und Bogen. Die südafri­kanischen Höhlen mit Funden aus jener Zeit beherber­gen Knochen solch gefährlicher Beutetiere wie ausge­wachsener Kaffernbüffel und Wildschweine, während europäische Höhlen voller Knochen von Bisons, Elchen, Rentieren, Pferden und Steinböcken waren. Selbst für heutige Jäger, bewaffnet mit modernen Gewehren mit Zielfernrohr und großer Feuerkraft, ist es keine leichte Sache, Tiere wie diese zur Strecke zu bringen, so daß die Cro-Magnon-Menschen sehr genaue Kenntnisse über das Verhalten jeder Art sowie hochentwickelte gemein­schaftliche Jagdmethoden besessen haben müssen.
    Verschiedene Fakten sprechen für die Errungenschaf­ten der Menschen des späten Eiszeitalters als Großwild­jäger. Ihre Siedlungen waren viel zahlreicher als die der frühen Neandertaler oder der Afrikaner der Mittleren Steinzeit, was als Zeichen für größeren Erfolg bei der Nahrungssuche zu werten ist. Viele Großtierarten, die frühere Eiszeiten überlebt hatten, starben gegen Ende der letzten Eiszeit aus, was vermuten läßt, daß mensch­liche Jäger mit ihrer neuen Geschicklichkeit die Todes­bringer waren. Hierzu zählen die nordamerikanischen Mammute (Kapitel 18), in Europa das Wollnashorn und der Riesenhirsch, in Südafrika der Riesenbüffel und das Riesenpferd und in Australien die

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