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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Riesenkänguruhs (Kapitel 19). Der glanzvollste Moment unseres Auf­stiegs enthielt also schon die Saat dessen, was sich als ein Grund für unseren Niedergang erweisen könnte.
    Verbesserte Techniken erlaubten es den Menschen nun, Regionen mit neuartigen Umweltbedingungen in Besitz zu nehmen und sich in den bereits bevölker­ten Teilen Eurasiens und Afrikas verstärkt zu vermeh­ren. Nach Australien gelangten die ersten Menschen vor rund 50 000 Jahren ; ihre Boote mußten also in der Lage sein, die etwa 100 Kilometer zwischen Ostindonesien und Australien zu überwinden. Die Besiedlung Nor­drußlands und Sibiriens vor mindestens 20 000 Jahren war an eine Vielzahl von Fortschritten gebunden: ge­nähte Kleidung, auf die Nadeln mit Ösen, Höhlenmale­reien und Grabornamente von Hemden und Hosen hin­weisen; warme Pelze, belegt durch Fuchs- und Wolfs­skelette, an denen die Pfoten fehlten (sie wurden beim Abhäuten entfernt und lagen auf einem Extrahaufen); kunstvolle Behausungen mit Kaminen, Fußbodenbelag und Mauern aus Mammutknochen ; und steinerne Fun­zeln mit Knochenöl als Lichtspender für die langen Po­larnächte. Die Eroberung Sibiriens und Alaskas zog wie­derum die Eroberung Nord- und Südamerikas vor rund 11 000 Jahren nach sich (Kapitel 18).
    EROBERUNG DER WELT

    Abb. 3 : Die Karte veranschaulicht, in welchen Zeiträumen sich die Eroberung der Welt durch unsere Vorfahren von Afrika aus abspielte. Die Jahreszahlen geben an, wieviel Zeit seither etwa vergangen ist. Neue archäologische Fundstätten könnten aber durchaus ergeben, daß manche Regionen, wie zum Bei­spiel Sibirien oder die Salomonen, früher besiedelt wurden als hier dargestellt.
    Während sich die Neandertaler die benötigten Roh­materialien im Umkreis von ein paar Kilometern um ihr Lager beschafften, kannten die Cro-Magnons und ihre Zeitgenossen in ganz Europa bereits den Fernhandel. Dabei wurde nicht nur mit Rohmaterialien für Werk­zeuge gehandelt, sondern auch mit solchen für »nutz­losen« Schmuck. Werkzeuge aus hochwertigem Stein, wie Obsidian, Jaspis und Feuerstein, wurden Hunder­te von Kilometern von ihren Abbaustellen entfernt ge­funden. Bernstein von der Ostsee gelangte bis nach Süd­osteuropa, während Muscheln vom Mittelmeer den Weg ins Innere Frankreichs, Spaniens und bis in die Ukrai­ne fanden. Sehr ähnliche Verhältnisse traf ich bei den modernen Steinzeitmenschen in Neuguinea an, wo die gepriesenen Kaurimuscheln von Küstenbewohnern ge­gen die Federn von Paradiesvögeln aus dem Hochland eingetauscht wurden und wo auch ein reger Handel mit Obsidian für Steinäxte herrschte, das aus wenigen Ab­baustellen kommt.
    Der Sinn für Schönheit, der sich im Schmuckhandel des späten Eiszeitalters zeigte, bringt uns zu der Errun­genschaft, für die wir den Cro-Magnons die meiste Be­wunderung zollen: ihrer Kunst. Am bekanntesten sind natürlich Felsmalereien in Höhlen wie der von Lascaux, wo höchst imposante mehrfarbige Zeichnungen inzwi­schen ausgestorbener Tierarten entdeckt wurden. Nicht minder eindrucksvoll sind aber Flachreliefs, Halsket­ten und Anhänger, Keramiken aus gebranntem Ton, Ve­nusstatuetten von Frauen mit riesigen Brüsten und Po­backen sowie Musikinstrumente, von Flöten bis Ras­seln.
    Anders als die Neandertaler, von denen wenige älter als 40 wurden, erreichten die Cro-Magnons durchaus ein Alter von 60 Jahren, wie Skelettfunde ergaben. Vie­le von ihnen konnten im Gegensatz zu den Neanderta­lern noch mit ihren Enkelkindern spielen. Für uns, die wir daran gewöhnt sind, uns aus Zeitungen oder Fern­sehsendungen zu informieren, ist es schwer zu begreifen, wie wichtig ein oder zwei Alte in einer noch schriftlosen Gesellschaft sind. In den Dörfern Neuguineas führen mich junge Männer oft zum Dorfältesten, wenn sie mir eine Frage über eine seltene Vogelart oder Frucht nicht beantworten können. Als ich 1976 die Salomoneninsel Rennell besuchte, gaben mir viele Inselbewohner Aus­kunft über die eßbaren Wildfrüchte ihrer Insel, doch nur ein alter Mann konnte mir sagen, welche man zur Not auch noch essen konnte, um nicht zu verhungern. Er wußte das noch aus der Zeit seiner Kindheit, als ein Zyklon etwa im Jahr 1905 über die Insel fegte und alle Gärten verwüstete, so daß den Menschen kaum mehr als das nackte Leben blieb. Für eine schriftlose Gesell­schaft kann ein erfahrener Alter den Unterschied zwi­schen Tod und Überleben bedeuten. Deshalb dürfte die Tatsache, daß manche Cro-Magnons

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