Der dritte Schimpanse
sexuell attraktiv und empfänglich, so daß sie den Mann jederzeit sexuell befriedigen, an sich binden und für seine Mitwirkung beim Aufziehen ihres Kindes belohnen kann. Die sexistische Botschaftlautet : Zweck der weiblichen Evolution war es, den Mann glücklich zu machen. Unerklärt läßt diese Theorie die Frage, warum Gibbonpaare, deren unerschütterliche Monogamie sie eigentlich zum moralischen Vorbild machen sollte, ständig zusammenbleiben, obwohl sie nur alle paar Jahre koitieren.
3. Theorie eines männlichen Anthropologen mit moderneren Ansichten (Donald Symons). Symons stellte fest, daß männliche Schimpansen nach geglückter Jagd eher bereit sind, das erbeutete Fleisch mit einem brünstigen als mit einem nicht brünstigen Weibchen zu teilen. Daraus folgerte er, daß Frauen möglicherweise im Laufe der Evolution eine permanente Koitusbereitschaft entwickelten, um von männlichen Jägern möglichst oft mit Fleisch versorgt zu werden, wofür dann Sex der Lohn wäre. Als zweite Erklärungsmöglichkeit weist Symons darauf hin, daß die Frauen der meisten Jäger- und Sammlervölker wenig Mitsprache bei der Wahl eines Ehegatten haben. In solchen Gesellschaften haben die Männer das Sagen, und ihre Clans sind sich durch Austausch heiratsfähiger Töchter gegenseitig gefällig. Durch die ständige sexuelle Attraktivität wird es jedoch selbst Frauen, die das Los eines schwachen Partners traf, möglich, einen besseren als den eigenen Mann heimlich zu verführen und seine Erbanlagen für die eigenen Kinder zu gewinnen. Symons Theorie ist zwar immer noch männerorientiert, stellt aber insofern einen Fortschritt dar, als Frauen in seiner Theorie geschickt eigene Ziele verfolgen.
4. Gemeinsam von einem Biologen und einer Biologin formulierte Theorie (Richard Alexander und Katherine Noonan). Wäre der Eisprung für den Mann erkennbar, so könnte er dieses Wissen dazu nutzen, nur während dieser Phase mit seiner Frau zu verkehren und sie zu befruchten. Die übrige Zeit könnte er sich in dem sicheren Bewußtsein, daß die Zurückgelassene nicht empfänglich, wenn nicht schon befruchtet sei, als Schürzenjäger betätigen. Aus diesem Grund entwickelten Frauen den versteckten Eisprung, um Männer unter Ausnutzung ihrer Vaterschaftsängste in ein festes Eheverhältnis zu zwingen. Ohne Kenntnis des genauen Zeitpunkts des Eisprungs muß ein Mann häufig mit seiner Gattin verkehren, um ein Kind zu zeugen, und das läßt ihm weniger Zeit für neckische Spiele mit anderen Frauen. Dies ist nicht nur für die Ehefrau, sondern auch für den Ehemann von Nutzen. Er gewinnt nämlich die Gewißheit, daß die Kinder wirklich von ihm sind, und muß nicht befürchten, daß seine Gemahlin plötzlich eine Schar männlicher Rivalen anzieht, indem sie an einem bestimmten Tag rot anläuft. Endlich haben wir eine Theorie, die offenbar auf der Gleichberechtigung der Geschlechter beruht.
5. Theorie einer Soziobiologin (Sarah Hrdy). Hrdy war davon beeindruckt, wie oft es bei Primaten – unter anderem bei Pavianen, Gorillas und gewöhnlichen Schimpansen – vorkommt, daß männliche Tiere ein Junges tö-ten, das nicht von ihnen stammt. Die so beraubte Mutter wird dadurch wieder brünstig und paart sich nicht selten mit dem Mörder, wodurch die Zahl seiner Nachkommen wächst. (Solche Art von Gewalt war in der Geschichte des Menschen keine Seltenheit: Männliche Eroberer töteten die besiegten Geschlechtsgenossen und deren Kinder, verschonten aber die Frauen.) Als Gegenmaßnahme, so Hrdy, entwickelten Frauen den versteckten Eisprung, um die Männer zu manipulieren, indem sie Verwirrung um die Frage der Vaterschaft stifteten. Eine Frau, die ihre Gunst vielen gewährt, könnte demnach auf die Hilfe etlicher Männer beim Ernähren ihres Kindes zählen (oder wenigstens darauf, daß sie es verschonen würden), da ja jeder annehmen müßte, vielleicht sei gerade er der Vater. Ob diese Theorie nun richtig ist oder falsch, wir müssen Hrdy jedenfalls Beifall dafür zollen, daß sie den konventionellen männlichen Sexismus umkehrte und der Frau die Rolle der sexuell Mächtigen übertrug.
6. Theorie einer anderen Soziobiologin (Nancy Burley). Das neugeborene Menschenkind wiegt bei der Geburt mit durchschnittlich drei Kilogramm rund doppelt soviel wie ein Gorillajunges, während das Gewicht der Mütter in umgekehrter Relation steht. Wegen dieses ungünstigen Größen- und
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