Der dritte Schimpanse
Phase des Zyklus die Empfänglichkeit am größten ist, falls sie sich überhaupt verändert.
Der Eisprung der Frau ist so gründlich verborgen, daß wir erst seit etwa 1930 genaue wissenschaftliche Erkenntnisse über seinen zeitlichen Ablauf besitzen. Davor glaubten die meisten Ärzte, eine Schwängerung sei zu jedem Zeitpunkt des Zyklus möglich, oder dachten gar, daß sie am ehesten während der Menstruation erfolge. Anders als der Affenmann, der nur nach bunt geschwollenen Affendamen Ausschau halten muß, hat ein männlicher Homo sapiens nicht die geringste Vorstellung, welche der Frauen in seiner Umgebung gerade einen Eisprung haben und geschwängert werden könnten. Frauen selbst können zwar prinzipiell lernen, welche Empfindungen im Zusammenhang mit dem Eisprung auftreten, aber das ist selbst mit Hilfe von Temperaturmessungen und der Überprüfung von Vaginalschleim auf Spinnbarkeit keine einfache Sache. Und natürlich handelt die Frau, die auf solche Weise ihrem Eisprung nachspürt, um schwanger zu werden (oder dies zu vermeiden), aufgrund von Erkenntnissen, die sie sich bewußt aus Büchern oder Zeitschriften angeeignet hat. Ihr bleibt keine andere Wahl, da Frauen der angeborene Sinn für sexuelle Empfänglichkeit fehlt, den weibliche Säugetiere besitzen.
Der verborgene Eisprung, die permanente Empfänglichkeit und die kurze Phase der Fruchtbarkeit innerhalb des Menstruationszyklus sorgen dafür, daß der Koitus beim Menschen meist nicht zur richtigen Zeit stattfindet, um zur Empfängnis zu führen. Noch dazu schwankt die Länge des Menstruationszyklus sowohl bei verschiedenen Frauen als auch zwischen den Zyklen jeder einzelnen Frau stärker als bei anderen weiblichen Säugetieren. Das hat zur Folge, daß selbst bei Frischvermählten, die ohne Verhütungsmittel und extrem häufig miteinander schlafen, nur eine 28prozentige Empfängniswahrscheinlichkeit pro Menstruationszyklus besteht. Viehzüchter wären verzweifelt über eine derart niedrige Fruchtbarkeit bei einer Preiskuh, doch sie können ja in Ruhe einen einzigen Termin für eine künstliche Befruchtung ansetzen : Die Erfolgsquote liegt bei 75 Prozent.
Welches auch immer die biologische Hauptfunktion des Geschlechtsakts beim Menschen sein mag, die Empfängnis ist es jedenfalls nicht – sie ist nur ein Nebenprodukt. Eine der schlimmsten Katastrophen in unserer Epoche der Überbevölkerung ist die Behauptung der katholischen Kirche, die Empfängnis sei der natürliche Zweck des Geschlechtsakts und die Rhythmusmethode sei die einzige zu rechtfertigende Form der Verhütung. Für Gorillas und die meisten übrigen Säugetierarten wäre die Rhythmusmethode zwar denkbar gut geeignet, aber nicht für uns. Denn bei keiner Art klaffen der Zweck des Geschlechtsakts und die Empfängnis weiter auseinander als beim Menschen, und bei keiner Art ist auch die Rhythmusmethode so ungeeignet für die Verhütung.
Für Tiere ist die Paarung ein gefährlicher Luxus, da sie in dieser Zeit wertvolle Kalorien verbrennen, kein Futter sammeln, leichte Beute von Raubtieren oder Opfer machthungriger Rivalen werden können. Somit dürfen Paarung und Befruchtung so wenig Zeit wie möglich beanspruchen. Im Vergleich dazu erscheint das Geschlechtsleben des Menschen vom Standpunkt der Befruchtung als enorme Zeit- und Energieverschwendung, kurzum als Irrtum der Evolution. Wäre es beim Brunstzyklus, wie bei anderen Säugetieren, geblieben, hätten unsere Vorfahren die so gesparte Zeit besser dazu nutzen können, noch mehr Mammuts abzuschlachten. Aus dieser ergebnisorientierten Sicht wären Gruppen von Jä-gern und Sammlern, deren Frauen ihre fruchtbare Phase deutlich angezeigt hätten, gegenüber anderen Gruppen im Vorteil gewesen, da sie Nahrung für eine größere Zahl von Babys hätten beschaffen können.
Das am heftigsten umstrittene Problem der Evolution des menschlichen Fortpflanzungsverhaltens ist somit die Frage, warum es den versteckten Eisprung dennoch gibt und welchen Vorteil uns die vielen Geschlechtsakte zur Unzeit bringen. Für Wissenschaftler kann die Antwort nicht einfach lauten, Sex bringe eben Spaß. Das ist zwar sicher richtig, aber schließlich hat es die Evolution ja so eingerichtet. Brächten uns die vielen Geschlechtsakte zur falschen Zeit nicht erheblichen Nutzen, hätten sich schon längst menschliche Mutanten ohne Freude am Sex entwickelt und die Welt erobert.
Mit dem Paradoxon
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