Der dritte Schimpanse
zusammenbricht, oder kommen Verstöße zwar vor, aber nicht so oft, um das System zum Einsturz zu bringen, oder sind Regelverstö-ße höchst selten ? Übertragen auf die menschliche Sexualität, lautet die Frage : Werden 90, 30 oder ein Prozent aller Kinder außerehelich gezeugt ? Diese Frage und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sind Gegenstand des folgenden Kapitels.
Kapitel 4
Die Wissenschaft vom Ehebruch
Es gibt unzählige Gründe, auf die Frage, ob man Ehebruch begangen hat, falsch zu antworten. Deshalb lassen sich präzise Informationen zu diesem wichtigen Thema besonders schwer beschaffen. Eine der wenigen zuverlässigen Datensammlungen, die wir besitzen, war das völlig unerwartete Nebenprodukt einer medizinischen Forschungsarbeit, die vor fast einem halben Jahrhundert zu einem ganz anderen Zweck angefertigt wurde. Ihre Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit nie enthüllt.
Ich selbst erfuhr erst kürzlich davon, und zwar von einem renommierten Mediziner, der die Studie seinerzeit geleitet hatte. (Da er in diesem Zusammenhang nicht genannt werden möchte, heißt er im folgenden Dr. X.) In den vierziger Jahren beschäftigte sich Dr. X mit den genetischen Eigenschaften menschlicher Blutgruppen, bei denen es sich um ausschließlich durch Vererbung erworbene Moleküle handelt. Jeder Mensch besitzt Dutzende entsprechender Substanzen in den roten Blutkörperchen, die alle entweder väterlicher- oder mütterlicherseits vererbt wurden. Die Wahl fiel auf eine sehr einfache Untersuchungsmethode : Man begebe sich auf die Entbindungsstation eines wohlangesehenen amerikanischen Krankenhauses, nehme Blutproben von 1000 Neugeborenen und deren Eltern, bestimme die Blutgruppen aller Proben und ziehe daraus entsprechend bekannter Regeln Schlüsse über die Vererbung von Blutgruppen.
Zum Entsetzen von Dr. X ergab sich aus den Blutproben, daß fast zehn Prozent aller Babys nachweislich die Frucht von Ehebrüchen waren ! Der Beweis lag darin, daß diese Babys eine oder mehrere Blutgruppen aufwiesen, die beiden vermeintlichen Eltern fehlten. Über die Mutterschaft konnte es keinen Zweifel geben: Die Blutproben waren von den Säuglingen und ihren Müttern kurz nach der Geburt entnommen wurden. Eine im Baby vorhandene, aber in der Mutter nicht angetroffene Blutgruppe konnte nur vom Vater stammen. Das Fehlen der fraglichen Blutgruppe im Ehemann der Mutter mußte deshalb bedeuten, daß das Baby von einem anderen Mann gezeugt worden war – außerehelich. Die wahre Häufigkeit außerehelichen Geschlechtsverkehrs muß dabei noch viel höher als zehn Prozent gewesen sein, da viele der heute in Vaterschaftstests berücksichtigten Blutgruppensubstanzen in den vierziger Jahren noch unbekannt waren und da ja auch nicht jeder Geschlechtsverkehr zur Empfängnis führt.
Zu der Zeit, als Dr. X seine Entdeckung machte, war die Erforschung sexueller Gewohnheiten in Amerika praktisch tabu. Er entschied sich deshalb, Stillschweigen zu bewahren und seine Ergebnisse niemals zu ver-öffentlichen ; nur mit Mühe erhielt ich die Erlaubnis, unter Verzicht auf Namensnennung darüber zu berichten. Die von Dr. X gewonnenen Erkenntnisse wurden jedoch später durch mehrere ähnlich angelegte Vererbungsstudien bestätigt, deren Resultate auch veröffentlicht wurden. Diesen Studien zufolge sind zwischen fünf und 30 Prozent der Babys in Amerika bzw. Großbritannien das Ergebnis von Ehebruch. Der wahre Prozentsatz der Ehen, in denen Seitensprünge vorkommen, muß aus den beiden gleichen Gründen wie in der Studie des Dr. X wesentlich höher liegen.
Nun können wir also die am Ende von Kapitel 3 gestellte Frage beantworten, ob außerehelicher Sex für Menschen eine seltene Abweichung, eine häufige Ausnahme vom »normalen« Sex in der Ehe oder ein so häufiges Phänomen darstellt, daß die Ehe zu einem Schwindel wird. Als zutreffend erweist sich die mittlere Aussage. Die große Mehrzahl aller Väter zieht tatsächlich die eigenen Sprößlinge auf, und man sollte die Ehe nicht als Schwindel bezeichnen. Der Mensch ist kein promiskuitiver Schimpanse, der bloß vorgibt, etwas anderes zu sein. Klar ist aber auch, daß außerehelicher Sex einen integralen, wenngleich »inoffiziellen« Bestandteil des menschlichen Paarungsverhaltens darstellt. Ehebruch wurde bei vielen anderen Tierarten ebenfalls beobachtet, deren soziales Gefüge auf gemeinsamer Elternschaft und dauerhafter Bindung
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