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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Lö-wen besser mit einem Speer als mit einem Stein in der Hand verteidigen, und noch besser mit einer Schußwaf­fe. Doch kulturelle und technische Fortschritte allein hätten nicht ausgereicht, wenn sich nicht auch Verän­derungen in unserem Körper vollzogen hätten, um ein höheres Alter zu ermöglichen. Kein Menschenaffe in ei­nem Zookäfig, der die Früchte der modernsten Technik und Tiermedizin genießt, wird 80 Jahre alt. Ich werde in diesem Kapitel darlegen, daß eine Anpassung unse­rer biologischen Beschaffenheit an die durch kulturel­len Fortschritt ermöglichte höhere Lebenserwartung er­folgte. Insbesondere möchte ich die Vermutung äußern, daß die Werkzeuge der Cro-Magnons nicht der einzige Grund dafür waren, daß sie im Durchschnitt älter wur­den als die Neandertaler. Vielmehr muß sich unsere Bio­logie um die Zeit des »großen Sprungs« so geändert ha­ben, daß sich das Altern verlangsamte. In diese Zeit mag auch die Evolution des Klimakteriums fallen, jenes Be­gleitumstands des Alterns, der paradoxerweise die weib­liche Lebensspanne verlängert.
    Die Art und Weise, wie Wissenschaftler über das Altern nachdenken, hängt davon ab, ob sie ein Interesse an un­mittelbaren oder grundsätzlichen Erklärungen haben. Diesen Unterschied will ich anhand der Frage verdeut­lichen, warum Stinktiere stinken. Ein Chemiker oder Molekularbiologe würde etwa diese Antwort geben :
    »Weil Stinktiere chemische Verbindungen mit be­stimmtem Molekülaufbau absondern. Aufgrund der Prinzipien der Quantenmechanik resultieren diese in schlechtem Geruch. Der schlechte Geruch dieser Sekre­te ist unabhängig davon, welche biologischen Funktio­nen er haben mag.«
    Ein Evolutionsbiologe würde dagegen so argumentie­ren : »Der Grund ist darin zu suchen, daß Stinktiere leichte Beute wären, würden sie sich nicht durch ihren Gestank verteidigen. Durch die natürliche Selektion erwarben sie die Fähigkeit zur Absonderung stinkender Sekrete ; da­bei überlebten am ehesten die Stinktiere mit dem übel­sten Geruch und konnten die größte Nachkommen­schaft hinterlassen. Der Molekülaufbau dieser Stoffe ist ein rein zufälliges Detail; andere übelriechende Stoffe wären den Stinktieren ebenso recht.«
    Der Chemiker gab eine unmittelbare Erklärung, in­dem er auf den für die zu erklärende Beobachtung un­mittelbar verantwortlichen Mechanismus verwies. Der Evolutionsbiologe trug dagegen eine grundsätzliche Er­klärung vor, indem er die Funktion bzw. Ereigniskette erläuterte, die der Existenz des Mechanismus zugrun­de liegt. Beide, Chemiker und Evolutionsbiologe, wür­den die Antwort des jeweils anderen zurückweisen, da sie »nicht die wirkliche Erklärung« enthalte.
    In ähnlicher Weise werden Untersuchungen über das Altern von zwei wissenschaftlichen Disziplinen ange­stellt, zwischen denen kaum Kontakt besteht. Die eine bemüht sich um eine unmittelbare, die andere um eine grundsätzliche Erklärung. Evolutionsbiologen versu­chen zu begreifen, wie die natürliche Selektion zulas­sen konnte, daß Lebewesen überhaupt altern, und mei­nen, darauf eine Antwort gefunden zu haben. Physiolo­gen hingegen erforschen die Zellmechanismen, die dem Alterungsprozeß zugrunde liegen, und räumen ein, daß ihnen die Antwort noch fehlt. Ich werde begründen, wa­rum sich das Altern nach meiner Ansicht nicht verste­hen läßt, sofern nicht nach beiden Arten von Erklärun­gen parallel gesucht wird. Insbesondere gehe ich davon aus, daß die (grundsätzliche) evolutionstheoretische Er­klärung uns dabei helfen wird, auch die physiologische (unmittelbare) Erklärung für das Altern, die sich der Wissenschaft bisher entzogen hat, ausfindig zu machen.
    Bevor ich diesen Gedankengang näher erläutere, will ich lieber Einwänden meiner physiologischen Kolle­gen zuvorkommen. Sie neigen zu der Ansicht, daß et­was an unserer Physiologie das Altern irgendwie un­vermeidlich macht und evolutionstheoretische Über­legungen deshalb belanglos sind. Eine dieser Theorien führt beispielsweise das Altern auf die angeblich wach­senden Schwierigkeiten unseres Immunsystems zurück, zwischen eigenen und fremden Zellen zu unterschei­den. Physiologen, die sich diesen Standpunkt zu eigen machen, treffen implizit die Annahme, daß die natür­liche Selektion nicht zu einem Immunsystem ohne sol­che verhängnisvolle Schwäche führen konnte. Ist dieser Glaube gerechtfertigt?
    Zur Beurteilung dieses Einwands wollen wir uns die

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